Istanbul. Gibt es Bilder vom Augenblick der Explosion in Istanbul? Was für die Echtheit eines von Agenturen verbreiteten Fotos spricht.

Die Opfer und ihr Leid und die Frage nach den Hintergründen stehen im Vordergrund nach dem verheerenden Anschlag in Istanbul. Dennoch beschäftigt viele Menschen Fragen zu einem Foto: Ein Tourist hat möglicherweise den Moment fotografiert, als der Selbstmordattentäter in Istanbul Tod und Leid über viele Menschen brachte. Bereits kurz nach den ersten Nachrichten von der Explosion tauchte das Bild auf. Es könnte echt sein.

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Wann tauchte das Foto auf? Für die Echtheit spricht, dass es sich bislang bis elf Minuten nach der Explosion zurückverfolgen lässt. Zu diesem Zeitpunkt hat es ein Touristenführer in einer WhatsApp-Gruppe von Kollegen bekommen, berichtet der türkische Journalist Mehmet Atakan Foça, der in der Verifizierung von Bildern erfahren ist und sich an die Spur des Bildes geheftet hat. In elf Minuten ohne Kenntnis des genauen Explosionsorts ein solches Bild zu erstellen, hält er für fast ausgeschlossen.

Einsatzkräfte sind an der Stelle des Attentats bei der Arbeit.
Einsatzkräfte sind an der Stelle des Attentats bei der Arbeit. © dpa | Str

Wo wurde das Foto aufgenommen? Etwa aus der gleichen Richtung aus etwas größerer Entfernung entstand einige Stunden nach der Explosion das Foto links. Es zeigt die gleiche Seite des Obelisken – auf den vier Seiten des 3500 Jahre alten Obelisken sind unterschiedliche Hieroglyphen. Zu sehen ist die Südseite. Die Schatten im Bild beweisen auch, dass es Morgen ist. Einsatzkräfte kümmern sich um Opfer rechts von der Säule – an der Stelle, wo auch ungefähr der Feuerball auf dem Bild zu sehen ist. Der Ort der Explosion auf dem Bild passt zu den Szenen, die später festgehalten wurden. Der Obelisk aus rosafarbenem Granit, der seit dem 4. Jahrhundert an seinem heutigen Platz steht, überstand die Explosion offenbar weitgehend unbeschadet.

Wer hat das Foto aufgenommen? Das ist bisher unklar. Mehmet Atakan Foça sprach mit dem Touristenführer, der das Bild an CNN Turk geschickt hat. Der berichtete ihm demnach, ein Kollege sei von einem Touristen gefilmt worden, das Bild sei dabei entstanden. Doch der Mann, der das Bild an die Medien gegeben hatte, habe keinen Kontakt herstellen können zu dem Touristenführer vor Ort, der das Bild vom Touristen erhalten habe. Die Information, dass das Bild von einem Touristen aufgenommen wurde, ist bisher also von keinem unmittelbaren Zeugen bestätigt.

Wie kam das Bild an die Öffentlichkeit: Eine Journalistin von CNN Turk twitterte es um 9:46 Uhr deutscher Zeit, 10.46 Uhr in Istanbul. „Leserfoto: Der Moment der Explosion“ schrieb sie dazu. Später stellte sich heraus, dass der Sender es von einem Touristenführer erhalten hatte. Sie reagierte auf Anfragen unserer Redaktion nicht. Die Agentur Zumapress mit Sitz in Kalifornien bot das Bild später Medien an. So war es auch über die in Deutschland verbreiteten Bildagenturen Picture Alliance und Imago verfügbar und auf deutschen Webseiten zu finden. Zumapress erklärt auf eine schriftliche Anfrage, das Bild von einer Agentur Depo Photos aus Istanbul erhalten zu haben. Depo Photos habe erklärt, es von einem Touristen erhalten zu haben. Depo Photos reagierte auf Anfrage unserer Redaktion nicht.

Welche Widersprüche gibt es? Fotos aus Istanbul vom Tag zeigen wolkenlosen Himmel, Berichte sprechen ebenfalls davon. Wetteraufzeichnungen aus Istanbul bestätigen aber, dass es am Morgen zunächst bewölkt war, ehe es immer schöner wurde bis keine Wolke mehr am Himmel stand. Die Wolken am Himmel können passen. Mehmet Atakan Foça schreibt davon, dass auf dem Bild erstaunlich wenig Menschen zu sehen seien. Es ist aber nur ein schwacher Beleg dafür, dass das Bild nicht echt sein könnte. Er geht davon aus, dass es echt ist. Verwunderlich ist, dass das Video noch nicht aufgetaucht ist. Manche Medienunternehmen würden dafür große Summe zahlen. Aber auch dafür gibt es Erklärungen: Wer immer die Szene festgehalten hat, hat vielleicht ganz andere Gedanken. Oder will nicht, dass schreckliche Bilder öffentlich werden. Möglicherweise haben die Behörden das Handy auch für die Ermittlungen sichergestellt.

Gibt es Möglichkeiten, das Bild technisch auf Manipulation zu untersuchen? Es gibt Programme zur Fotoforensik, mit denen Veränderungen oft sichtbar gemacht werden können. Dazu muss aber das Originalbild vorliegen. Beim Versenden über Chatdienste gehen Informationen verloren. Wenn ein Screenshot oder ein Foto vom Foto gemacht wird, wächst der Aufwand enorm. Und das Bild könnte ein Screenshot von einem Video sein. Es gibt auch die Möglichkeit, ein Bild hochzuladen und das Netz danach zu durchsuchen, ob es sich um ein altes Bild handelt. Das führt hier zu keinem Treffer.

Ergänzungen und Hinweise gerne an den Autor.