Berlin. Die Astrophysikerin Lisa Kaltenegger forscht nach Hinweisen auf Leben im Weltall. Bei der Suche danach spielt auch die Erde eine Rolle.

Die Frage, ob es außer auf der Erde noch anderswo im Universum Leben gibt, beschäftigt Menschen seit Jahrtausenden. Die österreichische Astrophysikerin und Astronomin Lisa Kaltenegger, die an der Cornell University in New York das Carl-Sagan-Institut leitet, hat ihre Arbeit der Beantwortung dieser Frage gewidmet. Die 38-Jährige forscht nach Hinweisen auf lebensfreundliche Planeten außerhalb unseres Sonnensystems und hat ein Buch zum Thema geschrieben.

Frau Kaltenegger, wie nah sind wir der Antwort, ob es außer uns noch anderes Leben im Weltall gibt?

Lisa Kaltenegger: Menschen stellen die Frage nach Leben im All seit Tausenden von Jahren. Schon die alten Griechen haben das getan. Jetzt sind wir zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte so weit, dass wir mögliche Erden entdeckt haben. In ein paar Jahren können wir die Luft dieser Planeten nach Lebensspuren untersuchen. Das zeigt uns dann, ob es wirklich andere Erden da draußen gibt. Wir sind also unglaublich knapp dran, die Frage zu beantworten.

Es gibt also Planeten, auf denen theoretisch Leben möglich ist …

Schauen Sie am Abend ins Firmament. Neueste Forschungsergebnisse zeigen, um jeden fünften Stern, den Sie sehen, muss ein kleiner Planet im richtigen Abstand kreisen. Es gibt Milliarden Sterne in unserer Galaxie, der Milchstraße. Also auch Milliarden Planeten, auf denen Leben möglich sein könnte.

Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit auf den potenziellen Erden Leben entstehen kann? Nach was suchen Sie?

Zuerst einmal vorweg: Wir wissen wissenschaftlich immer noch nicht, was man braucht, damit Leben entsteht.

Sie können also nur von den Bedingungen auf der Erde ableiten?

Genau. Demnach suchen wir einen Felsplaneten, der seinen Stern im richtigen Abstand umkreist, damit es dort nicht zu heiß und nicht zu kalt ist. Das nennen wir Toplage oder habitable Zone. Dann kann es flüssiges Wasser auf der Oberfläche geben – die Biologen sagen, am besten seichtes Wasser, das man verdampfen könnte. Übrig bliebe eine konzentrierte chemische Flüssigkeit, in der man Verbindungen finden könnte, aus denen Leben entstehen könnte. Leben kann es natürlich auch in zugefrorenen Ozeanen geben, aber unter einem dicken Eispanzer sind seine Spuren mit Teleskopen alleine kaum aufzuspüren.

Hat man nie versucht, im Labor Leben entstehen zu lassen, um die Suche im All zu erleichtern?

Doch, das versuchen Biologen. Aber es ist ihnen bislang nicht gelungen. Deswegen wissen wir auch nicht, ob uns noch eine unbekannte Zutat im Rezept fehlt. Wenn Sie einfach eine chemische Suppe zusammengießen und umrühren, ist bislang noch kein Leben entstanden. Vielleicht haben wir die falsche Temperatur verwendet oder das Verhältnis der Chemikalien zueinander ist falsch. Oder wir haben einfach nicht lange genug gewartet, denn das Entstehen von Leben kann auch einfach sehr lange dauern.

Es wird immer davon gesprochen „intelligentes Leben“ und Leben, so „wie wir es kennen“, zu finden. Ist nicht auch eine ganz andere Lebensform denkbar?

Unser Denken ist tatsächlich sehr menschenzentriert. Wir gehen immer fröhlich davon aus, dass alles sein muss, wie wir. Die Menschen, die Erde – das ist das Normale. Zuerst dachten wir, die Erde sei das Zentrum des Universums, dann dachten wir, es sei die Sonne. Später mussten wir feststellen, dass die Sonne ein normaler Stern, einer unter Milliarden in unserer Galaxie ist.

Aber immer wurden wir von der Wissenschaft eines Besseren belehrt.

Auch jetzt stellen sich viele dieses andere Leben da draußen so vor, wie wir es täglich sehen. Mit Menschen und Tieren. Aber es gibt allein auf der Erde eine riesige Vielfalt faszinierender Lebensformen. Das Bärtierchen zum Beispiel, das so ziemlich alles überlebt. Man kann drauftreten, man kann es kochen, einfrieren und im Weltall aussetzen, ohne dass es stirbt.

Sie sollten es für das Weltraumprogramm engagieren.

Unbedingt, es braucht nicht einmal einen Raumanzug. Aber würden Sie es irgendwo auf einer Aufnahme sehen, würden Sie nicht glauben, dass es das bei uns auf der Erde gibt. Aber es ist überall um uns herum. Diese Vielfalt des Lebens auf unserer Erde, die wir jetzt so langsam verstehen, verändert auch unseren wissenschaftlichen Blick darauf, was Leben sein kann, und verändert auch die Suche nach Leben im All.

Wie schlagen Sie den Bogen von dem Wissen über die Erde zu der Suche im All?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Farben spielen eine große Rolle. Sehen Sie sich Bilder des Yellowstone-Nationalparks in den USA an. Diese wunderschönen Farben dort sind in Wirklichkeit Lebensformen, die in bestimmten Temperaturregionen existieren. Wenn wir also in einigen Jahren mit den Teleskopen, die gerade gebaut werden, weit genug ins All schauen können, und die Farben der Planeten sehen, könnten wir Vermutungen anstellen. Wir könnten nicht eins zu eins Rückschlüsse ziehen, denn ein roter Planet könnte bedeuten, dass es dort rote Algen gibt. Es könnte aber auch Blutschnee sein, den wir in den Alpen finden und der seine Farbe durch Mikroben erhält. Aber wir können immerhin sagen: ‚Ich kenne etwas, das auch so aussieht.‘ Auf diese Weise erweitern wir unseren Blick auf andere Welten.

Die wir irgendwann einmal brauchen, weil wir sie zu unserem neuen Zuhause machen.

Dafür haben wir noch etwas Zeit – etwa eine Milliarde Jahre. Die ersten spannenden Reiseziele finden sich natürlich schon jetzt unter diesen neuen Welten. Aber wenn wir etwas über die Zukunft unseres Planeten lernen wollen, müssen wir uns andere Planeten ansehen, die der Erde ähnlich aber zum Beispiel viel älter sind. Sie können uns Hinweise darauf geben, wie unsere Zukunft aussehen könnte. Es ist auch zu einfach zu sagen: ‚Wir finden einen anderen Planeten, da fliegen wir dann hin, wenn es uns hier zu ungemütlich wird.‘ Denn diese Distanzen sind riesig und wir haben im Moment nichts, das diese Distanzen überwinden kann. Also sollten wir sehr gut auf unseren Planeten aufpassen.

Was ist mit dem Mars?

Auch der hilft uns nur kurzzeitig weiter, wenn die Sonne heller wird. Je heller sie wird, desto weiter und weiter müssten wir. Aber es gibt ja schon Science-Fiction-Ideen von Generationenschiffen oder dass wir uns alle einfrieren lassen.

Hört sich ehrlich gesagt nach Filmstoff an.

Das ist nur Science-Fiction. Noch geht das wissenschaftlich nicht. Aber die Ideen inspirieren Wissenschaftler natürlich weiterzudenken. Bei den Generationenschiffen, die keine eigene Schwerkraft erzeugen, stehen wir vor einem großen Problem: Sie haben keine Gravitation. Wenn sich Menschen auf so einem Schiff fortpflanzen, werden sie sich über Generationen dem anpassen. Die Knochen etwa müssten nicht mehr so fest sein. Wenn der Planet, zu dem das Schiff fliegt, so ist wie unsere Erde, braucht es wieder Generationen, bis sie dort leben könnten. Einfrieren geht auch nicht, weil wir den Menschen noch nicht wieder auftauen können. Hier können wir vielleicht vom Bärtierchen lernen.

Was passiert, wenn Sie Hinweise auf Leben auf einem entfernten Planeten haben?

Erst einmal diese wahnsinnig spannende Entdeckung genießen. Aber im Ernst: Wir würden ein Teleskop für genau dieses Sonnensystem bauen. Auf diese Weise könnten wir Details herausfinden: Gibt es Wolken, was sehen wir auf der Oberfläche? Wie schnell rotiert der Planet? Wenn der Planet in der Nähe wäre, sagen wir vier Lichtjahre entfernt, könnten wir einen Satelliten hinschicken.

Das würde aber ziemlich lange dauern.

Gehen wir mal davon aus, wir würden es schaffen, mit zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit zu fliegen. Das können wir noch nicht, aber das sollte möglich werden – dann würde der Satellit 40 Jahre in eine Richtung brauchen. Wenn wir ihm eine Antenne mitgeben, die Informationen zur Erde sendet, würde das noch einmal vier Jahre dauern, bis die Informationen ankommen. Macht 44 Jahre. Das ist in einer Generation machbar. Ist der Planet weiter weg, wären es zwei oder drei Generationen.

Ist die Frage, ob wir alleine im Universum sind, die Frage Ihres Lebens?

Es ist eine Frage, die mich fasziniert. Es geht um unseren Platz im Universum. Wie passen wir da hinein? Es gibt dieses Bild, das der Satellit Voyager 1 1990 aufgenommen hat. Bis heute gibt es kein Foto der Erde, das aus größerer Entfernung gemacht wurde. Darauf ist sie ein winziger Punkt, eingebettet im tiefen Schwarz des Alls. Dieses Bild ist für mich atemberaubend. Die Erde ist darauf ein wunderschöner blassblauer Punkt. Besonders aber auch verletzlich. Normalerweise denken wir, die Erde kann man nicht umbringen. Aber unser Blick ins All und auch zurück auf unsere Erde zeigt sie ganz anders. Wir müssen lernen, besser auf sie aufzupassen.