Berlin. Überschwemmungen in England, Schnee-Chaos in den USA, Rekordwärme am Nordpol. Wie verrückt spielt das Wetter?

Nordengland ersäuft im Regen, Überschwemmungen auch in Australien. Schneenotstand im sonst so warmen US-Bundesstaat New Mexico, Waldbrände als Folge von Trockenheit in Spanien und Kolumbien. Islandtief soll am Nordpol für Temperaturen bis zu vier Grad plus sorgen, berichtet die „Washington Post“. Normal sind dort im Winter minus 40 Grad. Wir erleben ein Jahresende der Wetter-Extreme. Oder erscheint es uns nur so, weil eigentlich nicht die Zahl der Überschwemmungen, sondern vor allem die Informationsflut zugenommen hat?

Fluten sind Folge von Erderwärmung

„Wetterextreme häufen sich tatsächlich“, ist sich Meteorologe Prof. Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel sicher. Viele der derzeitigen Erscheinungen schreibt er dem Wetter-Phänomen El Niño zu. „El Niño ist eine Erwärmung des tropischen Pazifiks an der Oberfläche, die dann sehr viele verschiedene Auswirkungen auf das Klima besonders in Amerika, aber auch in Südostasien und auch Afrika hat. Auf der einen Seite führt der El Niño dazu, dass es gerade in Südostasien sehr starke Trockenheit gibt. Auf der anderen Seite des Pazifiks dagegen gibt es heftige Niederschläge.“ Auf Europa habe El Niño weniger Auswirkungen, normalerweise sei es dadurch bei uns etwas kälter. Dass der Winter noch in Kälte umschlägt, hält der El-Niño-Experte daher für gut möglich.

El Niño ist ein natürliches Phänomen, das auch positive Auswirkungen hat. In Südkalifornien erhofft man sich ein baldiges Ende der jahrelangen Rekorddürre. Selbst wenn bald starker Regen einsetzt: Laut einem aktuellen Bericht der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ sind 58 Mio. kalifornische Bäume kaum mehr zu retten. „Kalifornien braucht seine Wälder – für den Wasserhaushalt, die CO2-Speicherung, für Holzprodukte, als Erholungsgebiete und Touristenattraktionen“, warnt der Umweltexperte. Greg Asner.

Das Hochwasser in England ist kein El-Niño-Phänomen

Der jetzige El Niño ist der stärkste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor gut 150 Jahren, sagt Prof. Latif. Nur in den Wintern 1982/83 und 1997/98 sei er ähnlich stark ausgefallen. Er hält es für wahrscheinlich, dass die globale Klimaerwärmung auch El Niño beeinflusst und ihn zukünftig kräftiger ausfallen lässt. „Dann könnte Europa stärker von Trockenheit betroffen sein.“

Das gegenwärtige Hochwasser in England ist kein El-Niño-Phänomen, sondern nach Meinung von Prof. Latif u.a. der Klimaerwärmung geschuldet. „Dadurch verdunstet mehr Wasser in den Ozeanen, das in den Kreislauf gerät.“ In den Hochwassergebieten bleibt die Lage angespannt. Weite Teile Nordenglands stehen nach wie vor unter Wasser. Der bisherige Schaden wurde auf über zwei Milliarden Euro. geschätzt. Besonders schwer war die Region um York betroffen, wo sich auch Premierminister David Cameron blicken ließ. Seine Regierung will nun prüfen, ob man zur Vorbeugung verstärkt Dämme baut.

Extremwetter auch in Nordaustralien: Eine Frau kam in den Fluten um, ein 28-Jähriger wurde noch gesucht. Hubschrauber retteten mindestens 500 Menschen aus der abgelegenen Ortschaft Daly River bei Darwin. Besondere Gefahr: Krokodile. Sie griffen in den Fluten bereits Hunde an. Im Süden dagegen zerstörten Buschbrände 116 Häuser.

In Nordspanien wüteten 130 Waldbrände, besonders schlimm war die Lage in Kantabrien und im Baskenland. Waldbrände sind dort im Dezember selten, ein warmer Herbst und wenig Regen hatten sie diesmal begünstigt.

Brände in Kolumbien zerstörten mindestens 300 Hektar Wald

Ungewöhnlich trockenes und windstilles Wetter in Italien führte zu Smog-Lage mit Fahrverboten in Städten wie Mailand oder Rom. Italiens Umweltminister Gian Luca Galletti warnte: „Der Smog-Notstand könnte noch einige Zeit andauern und auch in Zukunft viel häufiger auftreten.“

Brände in Kolumbien zerstörten laut Feuerwehr mindestens 300 Hektar Wald. Die Flammen wüten seit Tagen in den Departements von Antioquia im Nordwesten sowie Boyacá und Cundinamarca im Zentrum des Landes. Ursache der Dürre hier: El Niño. In Paraguay dagegen brachte El Niño Überschwemmungen: Stadtteile der Hauptstadt Asunción versanken im Schlamm, 140.000 Menschen mussten fliehen.

Wetter-Chaos auch in den USA: In den vergangenen Tagen kamen mindestens 43 Menschen durch Unwetter ums Leben. In New Mexico im Südwesten und in Texas wurde der Schneenotstand ausgerufen. Zu Weihnachten hatten zunächst Tornados und Regen in Staaten wie Mississippi, Tennessee und Arkansas gewütet.

El Niño dauert noch bis Frühjahr an, sagt Prof. Latif. Die Folgen der Klimaerwärmung dagegen sind nicht absehbar. „All die Extreme sind Mosaiksteinchen einer Veränderung. Wenn die Abkommen der Klimagipfel-Vertrag von Paris tatsächlich verwirklicht werden – im Moment sehe ich es noch als Absichtserklärung – dauert es noch Jahrzehnte, bis sich etwas ändert. Das Klima reagiert träge.“