Wiesbaden. In Deutschland werden fast 10.000 Menschen vermisst. Viele tauchen innerhalb eines Monats wieder auf. Doch es gibt auch andere Fälle.

Fast zehntausend Menschen in Deutschland gelten als vermisst. Das Bundeskriminalamt (BKA) sucht innerhalb Deutschlands nach rund 9780 Menschen. Knapp zwei Drittel von ihnen sind männlich. Das geht aus der Vermisstendatenbank des BKA in Wiesbaden hervor.

Die Zahlen sind vom 1. Oktober – an diesem Tag wurde die Datenbank zuletzt ausgewertet. Täglich löschen die Beamten zwischen 250 und 300 Fahndungen. Etwa genauso viele werden neu hinzugefügt. Insgesamt werden in der Datenbank beim BKA 11.711 Menschen geführt. Darunter sind auch Deutsche, die im Ausland verschwunden sind.

Rund 900 Kinder und mehr als 5000 Jugendliche vermisst

Am Stichtag im Oktober wurden in Deutschland 879 Kinder bis 13 Jahre vermisst. Dazu kommen die Jugendlichen: 5171 Jungen und Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren sind verschwunden. Minderjährige gelten als vermisst, wenn sie ihr gewohntes Umfeld verlassen haben und ihre Eltern nicht wissen, wo sie sind. In den vergangenen Jahren wurden nahezu alle dieser Fälle aufgeklärt. Offen bleibt nur ein kleiner Teil, beispielsweise Fälle von Kindesentziehungen durch ein Elternteil.

Zu den spektakulärsten Vermisstenfällen der Welt zählt der von Natascha Kampusch: Als Zehnjährige war sie auf dem Weg zur Schule entführt worden, acht Jahre hatte ihr Entführer die Österreicherin gefangen gehalten, bevor sie sich 2006 aus ihrem Verließ befreien konnte.

Was ist mit der kleinen Maddie McCann passiert? Seit 2007 rätseln Ermittler, ob das britische Mädchen beim Familienurlaub in Portugal im Alter von knapp vier Jahren entführt wurde; immer wieder hatte es aber auch Verdächtigungen gegeben, die Eltern hätten etwas mit dem Verschwinden des Mädchens zu tun. Gerald und Kate McCann haben das immer bestritten und suchen bis heute nach ihrer Tochter Madeleine. Sollte sie noch leben, ist sie inzwischen zwölf Jahre alt.

Drei Frauen jahrelang wie Sklaven gehalten und vergewaltigt

Weltweit für Aufsehen sorgte der Fall von drei jungen Frauen, die 2002, 2003 und 2004 in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio verschwunden waren: Eine der drei, Amanda Berry, hatte 2013 einen Nachbarn auf sich aufmerksam machen können, der sie befreite. Dann wurde bekannt, dass ein 53-Jähriger die Frauen über neun, zehn und fast elf Jahre wie Sklaven gehalten und vielfach vergewaltigt hatte. Amanda Berry hat in Gefangenschaft eine Tochter geboren. Der Täter wurde im August 2013 zu lebenslanger Haft verurteilt, er hatte sich schuldig bekannt. Einen Monat später wurde er erhängt in seiner Zelle gefunden.

Solche Fälle sind allerdings die Ausnahme. Etwa die Hälfte der Fälle vermisster Erwachsener erledigen sich nach Angaben des Bundeskriminalamtes innerhalb einer Woche. Binnen eines Monats kann die Polizei rund 80 Prozent aufklären. Viele Menschen tauchen einfach wieder auf. Nur rund drei Prozent bleiben länger als ein Jahr verschwunden. Ihre Namen führt das BKA für 30 Jahre in der seit 1992 bestehenden Datenbank.

Einer dieser Fälle ist der des Esseners Pierre Pahlke: Der damals 21-jährige, geistig behinderte junge Mann verschwand am 17. September 2013. Er hatte in einem Wohnheim gelebt und in einer Förderwerkstatt gearbeitet, war zuletzt von der Kassiererin eines Supermarktes gesehen worden. Ende November 2015 veröffentlichte ein bis dahin unbekanntes Foto des Verschwunden, doch den Ermittlern fehlt jede Spur.

Nach 31 Jahren tauchte die für tot erklärte Petra P. wieder auf

Vermisste Menschen können für tot erklärt werden. Diese Erklärung ist in Deutschland nach dem Verschollenheitsgesetz für Angehörige etwa erforderlich, um eine Lebensversicherung ausbezahlt zu bekommen oder ein Erbe antreten zu können. Laut Gesetz kann ein Vermisster nach zehn Jahren für tot erklärt werden. Kürzer ist die Frist, wenn jemand nach Gefahrensituationen verschollen ist.

1989 ist Petra P. für tot erklärt worden. Als 24-Jährige war die Studentin im Juli 1984 in Braunschweig verschwunden. 31 Jahre später dann die Sensation: Eine Frau in Düsseldorf räumt im September 2015 der Polizei gegenüber ein, nicht diejenige zu sein, als die sie sich ausgibt. Die inzwischen 55-Jährige legt den seit Jahrzehnten abgelaufenen Personalausweis von Petra P. vor. Zu ihrer Familie will die Frau, die aus unbekannten Motiven untertauchte, keinen Kontakt haben. (moi/mit dpa)