Altena. Die Stadt Altena nimmt mehr Flüchtlinge auf, als sie müsste. In der Provinz zeigt sich, wie Integration von Migranten gelingen kann.

Mit Fremden kennt man sich aus in Altena. Über der Stadt am Lenneufer thront die mittelalterliche Burg mit der ersten Jugendherberge Deutschlands. Doch in den vergangenen Jahrzehnten haben viele Menschen die Stadt verlassen, rund 5000 Arbeitsplätze vor allem in der Drahtindustrie gingen seit den 1970er Jahren verloren. „Das muss man mal drei rechnen“, sagt Bürgermeister Andreas Hollstein (CDU). Dann habe man die Differenz zwischen den rund 30.000 Einwohnern damals und den etwa 17.000 heute. Nun hofft Altena, den Trend mit Flüchtlingen zumindest stoppen zu können.

Denn die Folgen des Bevölkerungsschwunds sieht man sofort: Läden in der Innenstadt stehen leer und preiswerte freie Wohnungen gibt es genügend. Und deshalb war der Bürgermeister schon vor einiger Zeit auf die Idee gekommen, freiwillig Flüchtlinge aufzunehmen. „Da hieß es erst, das gehe nicht“, erinnert er sich an das erste Gespräch mit der Arnsberger Bezirksregierung. Nun aber leben neben den 270 zugewiesenen Flüchtlingen seit Oktober 100 Menschen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan zusätzlich in Altena.

Flüchtlinge renovieren Häuser

„Wir wollen, dass sich die Menschen wohlfühlen und dauerhaft bei uns bleiben“, sagt Hollstein. Denn es sind vor allem junge Menschen und Familien, die die Stadt dringend braucht. Und deshalb wird viel getan für die Neubürger: Die Flüchtlinge sind dezentral in Wohnungen untergebracht, ehemalige Lehrer geben Sprachkurse und jede Familie hat neben ihren Nachbarn auch eigene „Kümmerer“, von denen sie ehrenamtlich betreut wird. „Wir wollen nicht die Fehler wiederholen, die wir mit den Zuwanderern aus Südeuropa gemacht haben. Da haben wir bei der Integration zwei Jahrzehnte verschenkt“, sagt Hollstein.

Eine der ehrenamtlichen „Kümmerer“ ist Esther Szafranski. Sie betreut Idriss Nadar-Khalaf, der mit Frau und vier Kindern aus Mossul im Irak geflohen ist. „Es kommt ganz viel zurück“ sagt sie. „Fremde werden nur von den Leuten als Bedrohung wahrgenommen, die keine kennen. Sobald die Not ein Gesicht hat, ist das vorbei.“ Das bestätigt Bürgermeister Hollstein: Ein Nachbar einer für Flüchtlinge vorgesehenen Wohnung habe angekündigt, auszuziehen, wenn die Fremden kommen. „Nun ist er selbst zum Kümmerer geworden.“

Flüchtlinge würden in Altena nicht als Krise oder Problem gesehen, sondern als Chance, sagt Hollstein. Der Bürgermeister nimmt die Menschen, „die ja etwas tun wollen“, beim Wort. So wird gemeinsam mit einem Verein derzeit ein leerstehendes Haus renoviert. „Hier sollen dann auch Flüchtlinge wohnen“, berichtet Hollstein, als er am Montag gemeinsam mit NRW-Städtebauminister Michael Groschek (SPD) einigen jungen Männern aus Afghanistan beim Streichen zuschaut.

„Wir machen das!“

Der Bürgermeister plant, gemeinsam mit Flüchtlingen noch weitere Schrott-Immobilien und herrenlose Häuser zu sanieren. „Da zieht auch das Handwerk vor Ort mit, denn die bekommen ja auch zusätzliche Aufträge.“ Zunächst würden die Menschen über ihre Kenntnisse befragt, könnten dann ehrenamtlich helfen und später ein Praktikum machen, um sie auch schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Aus dem „Wir schaffen das“ werde in Altena ein „Wir machen das!“, lobt Groschek. Häufig höre er von „Wutbürgern“, aber Altena sei „die Hauptstadt der Mutbürger“. Daran, wie die Stadt mit ihren Problemen umgehe, könnten sich andere ein Beispiel nehmen. (dpa)