Peking/Shenzhen. Tausende Helfer wurden nach Shenzhen geschickt. Die Behörden hätten den apokalyptischen Erdrutsch verhindert können, beklagen Anwohner.
Nach dem Erdrutsch im südchinesischen Shenzhen werden noch etwa 100 Menschen vermisst. Dies teilten Behörden in der Stadt am Montag mit. Berichte über mögliche Tote gab es weiterhin nicht, dafür aber Hinweise, dass die Behörden mitschuldig sind an dem Unglück. Ein gigantischer Berg mit ausgehobener Erde und Bauschutt war abgerutscht und hatte Dutzende Gebäude unter sich begraben.
„Es ist klar, dass dieses Unglück hätte verhindert werden können, wenn die Regierung früher etwas unternommen hätte“, sagt ein Anwohner, der etwa zwei Kilometer vom Ort des Unglücks entfernt lebt. Dort, in einem Industriepark der chinesischen Stadt Shenzhen, türmen sich am Montag rotbraune Geröllmassen, wo bisher Fabriken und Häuser standen. Einige Gebäude am Rand der Schlamm-Lawine sind halb umgeknickt. Andere wurden völlig verschüttet. Bagger versuchen, mit ihren Schaufeln den Boden aufzugraben, um vermisste Menschen noch lebend zu finden.
Die gewaltige Welle aus Schlamm und Bauschutt war am Sonntag nach Regenfällen von einem Hügel herangerollt. Die rotbraunen Erdmassen hatten in dem Industriepark im Nordosten der Metropole mehr als 30 Fabriken, Unternehmen und Arbeiterunterkünfte unter sich begraben.
Wenig Hoffnung auf Überlebende
Seitdem sind die Rettungskräfte der südchinesischen Stadt fast ohne Pause im Einsatz. Knapp 3000 Retter suchen nach Überlebenden. Zunächst mit eher wenig Erfolg: Bis Montagabend konnten nur 13 Menschen aus den Geröll gezogen und in Krankenhäuser gebracht werden. Dutzende blieben vermisst. Retter sagten, ihre Überlebenschancen unter dem Schutt seien inzwischen äußerst gering.
Erdrutsch in China: 4000 Helfer suchen Überlebende
Die Menschen in Shenzhen sind entsetzt – besonders über das Ausmaß der Katastrophe. Und auch Wut macht sich breit. Denn viele haben den Verdacht, dass das Unglück hätte verhindert werden können. Die Geröllmassen, die nach ersten Angaben nach starkem Regen ins Rutschen gerieten, stammten den Behörden zufolge von einer gewaltigen Halde aus Bauschutt und ausgehobener Erde. „Zu groß“ und „zu steil“ sei dieser Schuttberg gewesen, teilten offizielle Stellen am Tag nach der Katastrophe mit. Die „South China Morning Post“ zitierte aus einem Regierungsbericht, wonach die Halde bereits im Februar hätte stillgelegt werden sollen. Dennoch soll noch bis kurz vor dem Unglück Bauschutt dort angeliefert worden sein.
Menschen waren in Sorge vor dem Berg
Viele Menschen in der Gegend hätten sich schon länger vor dem Müllhaufen gefürchtet: „Ich fahre dort gelegentlich vorbei, um Essen auszuliefern. Es war klar, dass früher oder später etwas passieren musste“, kritisiert Herr Sun, der ein Restaurant in der Nähe des Industrieparks betreibt: „Jetzt ist es wie ein zweites Tianjin.“
Der Name der Hafenstadt Tianjin steht für eines der schlimmsten Unglücke dieses Jahres in China: Mehr als 170 Menschen waren in der nordostchinesischen Hafenstadt im August nach der Explosion eines Chemielagers ums Leben gekommen. Grund für das enorme Ausmaß der Unfalls waren nicht eingehaltene Sicherheitsvorschriften und Kungelei des Betreibers mit den Behörden. In dem Areal lagerten etwa 3000 Tonnen Chemikalien.
Kontrollen sind oft lax
In Chinas Industrie kommt es immer wieder zu ähnlich tragischen Unfällen. Wegen des enormen Wirtschaftswachstums in den vergangenen Jahrzehnten blieben in vielen Industriezweigen Sicherheitsvorschriften und vor allem deren Kontrolle auf der Strecke. Nach der Katastrophe in Tianjin war die Regierung zwar hart gegen Regelverstöße vor allem in der Chemiebranche vorgegangen. Der Unfall in Shenzhen ist aber erneut ein deutliches Signal, dass noch immer vielerorts mit Vorschriften lasch umgegangen wird. (dpa)