Wiesbaden. „Flüchtlinge“ lautet das Wort des Jahres 2015. Das hat die Gesellschaft für Deutsche Sprache in Wiesbaden am Freitag entschieden.

„Flüchtlinge“ sind das Thema dieses Jahres, nun sind sie auch das Wort des Jahres. Das Wort stehe nicht nur für das beherrschende Thema des Jahres, sondern sei auch sprachlich interessant, heißt es in der Begründung. Gebildet aus dem Verb „flüchten“ und dem Ableitungssuffix „-ling“ klinge Flüchtling „für sprachsensible Ohren tendenziell abschätzig“: Neuerdings sei daher öfters alternativ von Geflüchteten die Rede.

Auf den Plätzen zwei und drei entschied sich die Jury für „Je suis Charlie“, den Solidaritäts-Slogan mit den Opfern des Anschlags auf die französische Satirezeitschrift im Januar, sowie „Grexit“ als Bezeichnung für einen möglichen Austritt der Griechen aus dem Euro.

Angela Merkels Satz „Wir schaffen das“ zur Bewältigung der Flüchtlingskrise landete auf dem zehnten Platz.

Nicht immer hat die Gesellschaft für Deutsche Sprache für ihre Wahl zum Wort des Jahres Beifall gefunden. Dies zeigt ein Rückblick über die Entscheidungen der letzten zehn Jahre.

In den Jahren 2004 bis 2014 wählte die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden folgende Wörter, die ihrer Meinung nach das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben eines Jahres sprachlich besonders bestimmten:

• 2014: Lichtgrenze. Die Berliner Lichtinstallation zum 9. November erinnere an die Freude des Mauerfalls vor 25 Jahren, begründete die GfdS ihre Wahl im vergangenen Jahr. Kritiker hielten dem entgegen, der Begriff sei nicht eben weit verbreitet gewesen.

• 2013: GroKo. Die Große Koalition löste im Herbst 2013 im Bundestag die schwarz-gelbe Bundesregierung ab. Das Kürzel GroKo eroberte schon bald die Schlagzeilen. Inzwischen benutzt es kaum noch jemand.

• 2012: Rettungsroutine. Es war das Jahr der Euro-Krise. Der Begriff spiegele das Thema der instabilen europäischen Wirtschaftslage wider und beschreibe die zahlreichen und wiederkehrenden Maßnahmen zur Stabilisierung, begründete die Jury die Entscheidung. Weite Verbreitung fand das Wort aber nicht.

• 2011: Stresstest. Der aus der Medizin entlehnte Begriff sei „auffällig oft“ verwendet worden. Er sei zur Beschreibung der Praxis benutzt worden, Banken, Atomkraftwerke oder das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 auf Belastbarkeit zu prüfen und habe damit „politische, wirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche Relevanz“ erlangt, so die Begründung.

• 2010: Wutbürger. Der Begriff stehe für die Empörung in der Bevölkerung, „dass politische Entscheidungen über ihren Kopf hinweg getroffen werden“. Das wichtigste Beispiel dafür war „Stuttgart 21“ – das die Sprachexperten auf Platz zwei wählten. Bekannt wurden in der Folge auch Varianten wie „Mutbürger“.

• 2009: Abwrackprämie. Monatelang stießen die Deutschen ihre alten Autos ab und kassierten dafür den Staatszuschuss beim Kauf eines Neuwagens. Und die Werbung griff den Begriff dankbar für alles mögliche auf.

• 2008: Finanzkrise. Es begann in den USA: Die Banken kollabierten, die Börsen weltweit stürzten ab. Die Rettung des Finanzwesens kostete die Steuerzahler viele Milliarden. Die „Finanzkrise“ war in aller Munde.

• 2007: Klimakatastrophe. Der Begriff charakterisiere die zunehmende Diskussion um die Veränderungen des Weltklimas, so die Jury. Dabei war das Wort nicht neu. „Herdprämie“ und „Raucherkneipe“ landeten trotzdem auf den Plätzen dahinter.

• 2006: Fanmeile. Die Fußball-WM in Deutschland wurde zum Sommermärchen. Und die Fans trafen sich auf den Straßen zum public viewing – meilenweit.

• 2005: Bundeskanzlerin. Gerhard Schröder glaubte in der Wahlnacht noch nicht daran, aber er konnte es nicht verhindern: Mit Angela Merkel zog nach der vorgezogenen Bundestagswahl erstmals eine Frau ins Bundeskanzleramt ein. Das veränderte die Politik – und die von Männern geprägten Begrifflichkeiten.

• 2004: Hartz IV. Die vierte Stufe der Arbeitsmarkt- und Sozialhilfereform habe die öffentliche Diskussion geprägt und sich in Wortbildungen wie „verhartzter Sommer“ verselbstständigt, hieß es zur Begründung. Andere hätten den Begriff lieber als „Unwort des Jahres“ gesehen.