Hamburg. Deutsche Beamte wurden bei der Aufklärung der „Costa Concordia“-Havarie massiv behindert. Nun kündigen sie Italien die Kooperation auf.

Die Meldung verbreitete sich schnell und wird womöglich jetzt die EU-Behörden beschäftigen: Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) in Hamburg beendet mit sofortiger Wirkung ihre Mitarbeit an der Aufklärung der Schiffshavarien der beiden Schiffe „Costa Concordia“ und „Norman Atlantic“. Auch zukünftigen Kooperationen mit Italien erteilten sie eine Absage. BSU-Direktor Volker Schellhammer sagte dieser Zeitung: „Darin sehen wir derzeit keinen Sinn.“ Er begründet diesen radikalen Schritt damit, dass sie die italienische Staatsanwaltschaft und die Gerichte in ihrer Arbeit so behindert hätten, dass eine objektive technische Unfalluntersuchung nicht möglich gewesen sei.

Dabei waren die deutschen Behörden verpflichtet, sich bei den Untersuchungen zu beteiligen, da es bei beiden Unglücken mehrere Deutsche unter den Opfern gab. Auf der im Dezember 2014 in Brand geratenen Autofähre „Norman Atlantic“ starben vor einem Jahr elf Passagiere, zwei davon aus Deutschland. Beim Unfall der „Costa Concordia“, die im Januar 2012 vor der Mittelmeerinsel Giglio auf Grund lief, gab es 32 Todesopfer, zwölf waren Deutsche.

Schwere Vorwürfe gegen italienische Behörden

Das havarierte Schiff wurde inzwischen zur Verschrottung in den Hafen von Genua geschleppt. Der Kapitän, Francesco Schettino, wurde im Februar dieses Jahres zu 16 Jahren Haft verurteilt, weil er als einer der ersten damals das Schiff verlassen hatte – und die Passiere im Stich ließ. Laut eigener Aussage habe ihn „die Schwerkraft in ein Rettungsboot gezogen“. Die Ermittlung gegen die Reederei war nach der Zahlung von einer Million Euro eingestellt worden.

Monatelang haben die deutschen Behörden aber keinen Zutritt zur „Costa Concordia“ gehabt. Zwar habe die italienische Untersuchungsbehörde im Mai 2013 einen Bericht über den Unfall veröffentlicht, aber laut Schellhammer sei der Text der „Schwere und Komplexität des Unfalls in keiner Weise gerecht geworden“. Dem Sender NDR Info zufolge konnten die Ermittler nicht einmal die Fahrstühle untersuchen, da das Wrack schon entkernt gewesen sei. Dabei hatte die BSU ausdrücklich darum gebeten, da in den Aufzügen Menschen ertrunken seien.

Selbst Feuerlöscher war für Ermittler tabu

Bei der „Norman Atlantic“ habe die Staatsanwaltschaft ebenfalls nach dem Unglück das gesamte Schiff beschlagnahmt. „Der Unfall ist fast zwölf Monate her“, sagt Volker Schellhammer, „und wir haben uns noch nicht ein einziges Mal ungehindert auf dem Schiff umsehen können.“ Der Zugang zu den besonders relevanten Räumen sei ihnen verboten worden. Insbesondere durften sie nicht den Maschinenraum und den Notdieselraum inspizieren. So konnten die Ermittler nicht feststellen, ob in den Tanks genügend Kraftstoff war, um die Notstromversorgung aufrechtzuerhalten.

Auch von der Betriebsfähigkeit der Feuerlöschpumpen durften sich die Deutschen nicht überzeugen. Die Italiener berufen sich bei dem Verbot auf die italienische Rechtslage, wonach die Staatsanwaltschaft und sodann das Strafgericht bestimmen können, wer das Schiff betritt. „Es waren schon alle möglichen Leute auf der Fähre“, klagt Schellhammer. „Zum Teil wurden Autos aufgebrochen, und wir haben noch immer keinen freien Zutritt.“ Zudem verstoße Italien mit dieser Rechtslage gegen Europa-Recht, das eine Seeunfalluntersuchung verlangt. „Das geht so nicht“, sagt der Leiter der BSU. Auch griechische Seeunfallermittler seien in ihrer Arbeit behindert worden.

Antwort der EU-Behörde wird jetzt erwartet

Die Seeunfalluntersuchungsbehörde sei immer von örtlichen Behörden abhängig gewesen. „Im Anbetracht des Vorstehenden sind weitere Aktivitäten der BSU offensichtlich sinnlos“, teilte die Behörde mit. „Die BSU stellt die Untersuchung daher endgültig ein.“ Die Bundesbehörde hat sich jetzt in einem Schreiben an das italienische Verkehrsministerium beschwert und auch gleich die EU mit informiert. Eine Antwort steht noch aus.