Rio de Janeiro. Es gibt viele Strategien, mit Trollen umzugehen. In Brasilien ist eine, Facebook-Rassisten plötzlich ganz groß rauskommen zu lassen.

In Brasilien kann es Facebook-Nutzern passieren, dass rassistische Kommentare sie vor der eigenen Haustüre einholen. Eine Organisation in Brasilien greift üble Botschaften auf und hängt sie, gedruckt auf Plakate, dort auf, wo der Urheber wohnt. Motto: „Virtueller Rassismus, reale Konsequenzen.“ Vorstellbar auch in Deutschland, wo besonders heftig um Facebook-Kommentare gestritten wird?

Hinter der Aktion steckt Criola, eine Organisation, die für die Rechte schwarzer Frauen in Brasilien kämpft. Eine Hasswelle gegen die schwarze Wetter-Moderatorin der Hauptnachrichtensendung war ein Auslöser. Auf die Solidarisierungswelle in Sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #SomostodosMaju folgte im November die Kampagne, Trolle aus dem vermeintlich anonymen Netz in ihrer Umgebung vorzuführen.

Namen und Profilbilder verpixelt

Wenn es zu Kommentatoren Geodaten gibt, werden in der Nähe dann die riesigen Ausdrucke des Facebook-Rassismus aufgehängt. Namen und Profilbilder werden verpixelt. Diejenigen, die aus voller Überzeugung dazu stehen, sollen sich nicht auch aufgewertet fühlen. Und es gehe auch nicht darum, die Leute bloßzustellen, erklärt Criola-Gründerin Jurema Werneck. Die Plakate sollen eine Diskussion anstoßen. Menschen sollten aber auch nicht denken, sie könnten gemütlich zu Hause sitzen und im Internet machen, was sie wollen.

Silvio Lang, Sprecher von „Nazifrei! Dresden stellt sich quer“, sieht da auch andere Wege als Ausdrucke der Facebook-Botschaften. „Da gibt es auch in Deutschland schon reale Anwendungen wie den Blog ,Perlen aus Freital’ – mit ganz realen Konsequenzen wie Kündigungen und der dazu geführten Diskussion, ob so ein öffentlicher Pranger rechtens ist.“

„Perlen aus Freital“-Macher: Aktion ist klasse, aber ...

Die Macher des Blogs „Perlen aus Freital“, die besonders üble Kommentare sammeln und mit Foto und Name der Absender veröffentlichen, finden die Aktion in Brasilien „grundsätzlich klasse“. So werde „gezeigt, dass sowas eben auch in der eigenen Nachbarschaft vorkommt und nicht nur in den Medien, beziehungsweise ganz weit weg vom eigenen Umfeld auftritt“, schreiben die Macher unserer Redaktion. Sie geben von sich nur ihre Vornamen Christopher und Frederik preis.

Ihre Befürchtung ist allerdings, dass es in bestimmten Gebieten Deutschlands eher noch eine „Adelung“ wäre, wenn so ein Gedankengut für alle Freunde und Bekannten sichtbar auf einer Plakatwand erscheinen würde. „Wir beobachten ja gerade in einigen östlichen Städten und Dörfern einen Trend, dass sich Leute in ihrer Filterblase sicher fühlen und ihnen bei Hasskommentaren im Internet breite Zustimmung aus dieser Blase zuteil wird.“ Eine Plakataktion würde das noch steigern.

Anwalt: Pranger wirkt schnell – aber Fehler drohen

Zwiespältig sieht die Aktion auch der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun, der mit Anzeigen Ermittlungen wegen Volksverhetzung gegen aus seiner Sicht untätige Facebook-Manager ausgelöst hat. „Bloßstellung durch Veröffentlichung ist geeignet, schnellere Erfolge zu erzielen als auf juristischem Weg“, sagt er unserer Redaktion. Allerdings mache man dabei eher Fehler, riskiere die Verletzung von Persönlichkeiten. Und bei den verpixelten Fotos der Kampagne? „Die Frage ist, ob die Personen für Menschen aus ihrem näheren Umfeld erkennbar sind.“ Dabei gehe es nicht darum, ob jemand vielleicht das verpixelte Profilbild wiedererkenne, sondern ob die Person erkennbar sei.

Die gute Absicht schützt auch nicht vor Strafverfolgung, wenn der gezeigte Inhalt illegal ist. Wenn in Deutschland ein volksverhetzendes Posting auf einem Plakat abgebildet sei, drohe auch den Machern Strafverfolgung wegen der Verbreitung.