Berlin. Comedians und Kabarettisten begegnen der Terrorangst mit einem Lächeln. Der Satire sind im Umgang mit dem IS aber Grenzen gesetzt.

„Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist; er will die Welt gut haben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an“, schrieb Kurt Tucholsky vor fast hundert Jahren. Die Worte gelten offenbar noch immer: Nach den Anschlägen in Paris und Warnungen in halb Europa greifen viele Comedians und Kabarettisten die Terrorangst auf.

Die französische Satirezeitung „Charlie Hebdo“ schreibt gewohnt provokant: „Sie haben die Waffen. Wir scheißen auf sie, wir haben den Champagner!“ Und auch in Deutschland schweigt die Satire nicht.

Am Mittwoch ging der Kabarettist Serdar Somuncu auf die Bühne der Westfalenhalle in Dortmund und schmetterte dem Pulikum entgegen: „So wenig wie ich mir das Theaterspiel von Nazis verbieten lasse, lasse ich es mir von irgendwelchen Mullahs verbieten!“ Er spart in seiner Show auch die Terrormiliz IS nicht aus.

Der Komiker Helge Schneider hatte am Dienstagabend eine Lesung in Hannover abgesagt, weil das Länderspiel Deutschland gegen die Niederlande wegen einer Terrorwarnung ausfiel. „Wenn das so weitergeht und ich am Ende morgen auch nochmal absagen muss, komme ich Donnerstag wieder“, sagt Schneider in einem Video auf seiner Facebookseite, während er genüsslich eine Mandarine isst. Doch ist das Satire oder einfach nur albern?

Herausforderung an satirische Darstellung wächst

„Satire hat immer die Funktion Missstände aufzudecken und dem Zuschauer eine lachende Erkenntnis zu bringen“, sagt der Redaktionsleiter des Satiremagazins „Extra 3“, Andreas Lange. Im Idealfall liefere die Satire eine Orientierungshilfe in unübersichtlichen Zeiten. Allerdings: Braucht der Zuschauer tatsächlich eine Einordnung, wenn die Lage so klar ist und Terroristen mehr als 129 unschuldige Menschen getötet haben?

„Es ist tatsächlich schwierig, im Grunde geht es immer darum, etwas zu behandeln, was wir verändern können“, sagt Lange. „Satire über schlechtes Wetter ergibt keinen Sinn.“ Ähnlich verhalte es sich mit den Terroranschlägen. Und die Herausforderung wachse, wenn viele Zuschauer verunsichert sind oder sogar Angst haben. Insbesondere im Fall des sogenannten Islamischen Staates sei die satirische Darstellung anspruchsvoll. „Das Ganze wirft die Frage auf, was man menschenverachtenden Terroristen entgegensetzen kann. Auslachen nützt nichts. Die Täter sind zu weit von unserem Wertesystem entfernt, als das es irgendeine Korrektur geben kann.“

Doch es gibt Punkte in der Debatte, die Satiriker aufspießen. Zum Beispiel die umstrittene Äußerung des bayerischen Finanzministers Markus Söder (CSU). Der urteilte schon kurz nach den Anschlägen in Paris auf dem Kurznachrichtendienst Twitter und verband den Terrorismus mit dem Thema Zuwanderung.

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Die Reaktion folgte prompt: CSU-Chef Horst Seehofer kanzelte seinen Finanzminister ab. „Nach solchen Anschlägen wie in Paris verbietet es sich, persönliche und parteipolitische Motive in den Vordergrund zu stellen“, sagte Seehofer. Der innerparteiliche Schlagabtausch war dann der Ansatz, wo Satire auch in Terrorzeiten funktioniert, sagt Extra-3-Redaktionsleiter Andi Lange. Die Sendung führte den Gedanken eigensinnig fort: „CSU-Beef #Soeder #Seehofer“, schrieb die Redaktion auf Twitter. Und machte einen eigenen Vorschlag.

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Dabei erfüllt die Satire, wenn sie gut gemacht ist, auch einen psychologischen Effekt. „Ohne das zu hoch zu hängen, denke ich, dass es vielen Zuschauern helfen kann die Geschehnisse zu verarbeiten. Zumindest nicht so frustriert zu sein, eine Art Medizin also“, sagt Redaktionsleiter Lange.

„Übertreibt die Satire?“, fragte seinerzeit Kurt Tucholsky. Ja, sagte er, das müsse sie sogar. „Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird“. Läuft ein Kabarettist Gefahr, den Bogen zu überspannen? Der Comedian Tobias Mann, im nächsten Jahr in der ZDF-Sendung „Mann, Sieber!“ zu sehen, plädiert für Augenmaß: „Man kann sich grundsätzlich jedes Themas im Kabarett annehmen. Je komplexer ein Sachverhalt allerdings, je ernster der Hintergrund ist, je heikler ein Thema wahrgenommen wird, desto genauer und gewissenhafter muss man seine Texte erarbeiten“, sagt er.

Schärfere Töne von amerikanischen Satirikern

Bei harten Themen sei die satirische Aufarbeitung nicht einfach. „Aber es ist die Herausforderung, der man sich als Kabarettist stellen muss.“ Der Chefredakteur des Satiremagazins „Titanic“, Tim Wolff, betont indes: „Satiriker dürfen in Zeiten des Terrors so weit gehen, wie sie es für angemessen halten, aber nicht so weit wie Terroristen.“

Auch der Comedian Dieter Nuhr richtet seine nächste Sendung an den aktuellen Geschehnissen aus. Die ARD will ihre Satiresendung mit Dieter Nuhr planmäßig zeigen: „Der Inhalt der nächsten Ausgabe von „Nuhr im Ersten“ am 3. Dezember entsteht gerade unter dem Eindruck der Ereignisse“, erklärt der Unterhaltungschef des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Heiner Heller. Im Januar machte Nuhr das Attentat auf „Charlie Hebdo“ zum einzigen Thema der Sendung.

Die US-Amerikaner sind im Umgang mit Attentaten weniger vorsichtig. Komiker John Oliver kommentierte die Anschläge in Paris am Sonntagabend in seiner Late-Night-Show „Last Week Tonight“ auf HBO so: „First, as of now, we know this attack was carried out by gigantic f(...) arseholes.“ Frei übersetzt: Die Anschläge wurden verübt von ganz großen Arschlöchern.

(mit dpa)