Wallenfels .

Die Vorhänge und Rollläden sind geschlossen. Aber im obersten Stockwerk an den Fenstern hängen Kinderbilder. Selbst gebastelt. Doch was ein Notarzt und die Polizei hinter der Fassade des schmucklosen, aber gepflegten Hauses in der oberfränkischen Kleinstadt Wallenfels entdeckt haben, ist alles andere als eine Kinderidylle: Mindestens acht Babyleichen lagen in dem Haus. Es dürfte sich um einen der schlimmsten Fälle in Deutschland handeln.

Es ist ein kühler und nebliger Herbstmorgen in dem 2800-Seelen-Ort mitten im Frankenwald. Das Städtchen ist ein Erholungsort, man kann im Sommer Floßfahrten auf der Rodach buchen. „Das bei uns – das hat niemand erwartet“, sagt ein Mann, der seinen Hund ausführt. „Unfassbar“ – das ist das Wort, das die meisten Passanten aussprechen.

Dass Polizei und Rechtsmediziner in der Nacht zuvor hier einen Großeinsatz mit grausigen Funden hatten, fällt auf den ersten Blick gar nicht auf. Nur ein Kleinbus der Polizei ist an der Hauptstraße geparkt. Und nach und nach rücken Reporter und Kamerateams an.

Wie viele Babyleichen am Donnerstag entdeckt wurden, bleibt am Freitagmorgen zunächst unklar, die Polizei hält sich bedeckt. Erst gegen Mittag kommt dann die Mitteilung, die dem Fall noch einmal eine neue Dimension verleiht – sieben tote Säuglinge würden derzeit in der Rechtsmedizin obduziert. Möglicherweise seien es sogar noch mehr. Am Nachmittag erhöht die Polizei die Zahl der toten Kinder auf mindestens acht.

Laut den Ermittlern waren die Babys in Handtücher und Plastiktüten gewickelt

Wann die Kinder starben und warum – das muss noch geklärt werden. Die Untersuchungen der Rechtsmediziner sollen frühestens Anfang nächster Woche Aufschluss geben. Noch ist nicht einmal klar, welches Geschlecht die Kinder haben. Laut den Ermittlern waren die Babys in Handtücher und Plastiktüten gewickelt. Eine Bewohnerin von Wallenfels hatte den Notarzt verständigt, als sie in dem Haus eines der toten Kinder entdeckt hatte.

Noch weiß niemand genau, was in dem Haus mitten in Wallenfels geschah. Die Polizei in Oberfranken hat die mutmaßliche Mutter von mindestens acht toten Säuglingen am späten Abend festgenommen. Die 45-Jährige gelte als tatverdächtig, teilte ein Polizeisprecher am Freitagabend mit.

Medien berichten über das familiäre Umfeld, etwa darüber, wie viele Kinder die Familie sonst noch gehabt habe. Eine Patchworkfamilie soll es gewesen sein, doch vor Kurzem soll es zur Trennung gekommen sein. Die Ermittler wollen nichts zu den persönlichen Verhältnissen der Hausbewohner sagen. Das spiele eine wichtige Rolle für die Ermittlungen, sagt der Coburger Oberstaatsanwalt Martin Dippold. Er spricht von einem außergewöhnlichen Fall. Und trotz aller Betroffenheit müsse man professionell damit umgehen. Die Polizei hat eine Ermittlungsgruppe gegründet. „Es sind noch sehr viele Personen zu befragen und es erfolgen auch weitere Durchsuchungsmaßnahmen“, sagt die Polizeisprecherin dazu. Dabei soll vor allem das Anwesen selbst noch genauer unter die Lupe genommen werden. „Unter Umständen kommen auch noch andere Objekte dazu“, so die Sprecherin.

Viele Wallenfelser erzählen, wie unauffällig die Familie gewesen sei und wie gut integriert ins Ortsleben. „Mir fehlen die Worte“, sagt ein Spaziergänger. „Man kann halt nicht hineinschauen, was sich in den Häusern abspielt.“ Die Familie sei nett und anständig gewesen, sagt eine ältere Frau, die ganz in der Nähe wohnt. „Wir sind so geschockt“, sagt sie noch.

Auch der Bürgermeister, Jens Korn (CSU), ringt um Fassung. Eine heile Welt habe man doch eigentlich im Ort, sagt er. „Solche Themen kannten wir nur aus dem Fernseher.“ Viele Bürger beschäftigen die Frage, ob man diese Tragödie verhindern hätte können – etwa mit Hilfsangeboten. „Es herrscht Trauer in unserer Stadt um die Kinder, die nicht leben durften.“