Hamburg. Hamburgs Toptalent wird in London als „Star von morgen“ ausgezeichnet. Sein Bruder Mischa spricht über ihr inniges Verhältnis

Fünf Stunden Zeitverschiebung liegen zwischen Florida und London, und auch wenn er in den USA sein Trainingspensum erfüllen muss, wird Mischa Zverev so häufig wie möglich versuchen, die Spiele der ATP-WM zu schauen, die an diesem Sonntag in der O2-Arena in der Hauptstadt Großbritanniens beginnt. „Ich liebe es einfach, Novak Djokovic, Roger Federer oder Rafael Nadal spielen zu sehen“, sagt der Hamburger Tennisprofi. Auch wenn der Serbe Djokovic, der in der Vorrunde auf den Schweizer Federer, Kei Nishikori (Japan) und Tomas Berdych (Tschechien) trifft, nach 22 Siegen in Serie nicht nur für Mischa Zverev der Topfavorit auf den Titel ist, hofft der 28-Jährige auf spannende Matches. In der anderen Gruppe treffen die Spanier Nadal und David Ferrer, der Schotte Andy Murray und der Schweizer Stan Wawrinka aufeinander.

Ein Deutscher war seit Rainer Schüttler im Jahr 2003 nicht mehr beim Tourfinale dabei. Dass der Deutsche Tennis-Bund (DTB) aber immerhin einen kleinen WM-Auftritt haben wird, verdankt er Mischas jüngerem Bruder Alexander. Der 18-Jährige, den alle nur Sascha nennen, wird von der Herrentennisorganisation ATP als „Star of Tomorrow“ ausgezeichnet, da er als Weltranglisten-81. der am höchsten eingestufte Nachwuchsspieler ist. Interviews mit dem größten deutschen Talent sind ein rares Gut, er wird von seinem Management rigoros abgeschirmt. Wer also eine Einschätzung der Saisonleistung bekommen will, muss mit dem Bruder reden, denn die Zverevs, die von ihren Eltern trainiert werden, sind ein verschworenes Familienunternehmen.

„Saschas größtes Ziel war es, bei unserem Lieblingsturnier am Rothenbaum die Punkte zu verteidigen, die er 2014 durch den Halbfinaleinzug gewonnen hatte“, sagt Mischa Zverev. „Dass er dann in Runde eins scheiterte, tat ihm sehr weh. Umso höher ist seine Leistung zu bewerten, sich dennoch in den Top 100 etabliert zu haben.“ In einigen Phasen habe die Familie versucht, den Youngster zu beruhigen, weil dieser sich zu sehr unter Druck setzte. „Andererseits ist es ja aber genau dieser Ehrgeiz, der ihn so gut macht und antreibt“, sagt der Bruder.

Wie anstrengend die Saison für Alexander Zverev gewesen ist, sei nach den US Open im Spätsommer deutlich geworden, als ein Virus ihn über Wochen lahmlegte, zwölf Kilogramm kostete und den ersten Einsatz im deutschen Daviscupteam beim Relegationsmatch in der Dominikanischen Republik verhinderte. „Aber wenn er so weiterspielt, ist es nur eine Frage der Zeit, wann er für Deutschland spielt“, sagt Mischa Zverev, der 2009 für die Nationalmannschaft nominiert war.

Ein Ziel der Brüder ist, im Daviscup einmal gemeinsam aufzuschlagen, am liebsten im Doppel. Nach zwei Jahren voller Verletzungspech hat sich der Ältere auf Rang 173 der Weltrangliste vorgearbeitet und fühlt sich seit einigen Wochen „endlich richtig fit. Ich habe wieder großen Spaß am Tennis!“ Im Januar 2016 wollen sie gemeinsam in Australien angreifen, die Vorbereitung dafür wird in Florida absolviert. Dass der Tag näher rückt, an dem er nach bislang zwei Siegen im direkten Vergleich mit dem Bruder die erste Pleite auf der Profitour einstecken muss, weiß Mischa Zverev. Er fürchtet diesen Tag nicht, im Gegenteil: „Ich würde mich freuen, denn das würde beweisen, wie stark Sascha geworden ist.“