Ohne Arbeitszeugnis geht es im Berufsleben nicht. Für eine gute Bewertung liegt die Beweispflicht beim Angestellten

Ohne Zeugnis geht es nicht. Nicht nur in der Schule, bei der Ausbildung oder an der Universität spielen diese Beurteilungen eine Rolle. Auch später im Job geht es bei einem Wechsel um das Arbeitszeugnis. Jeder Mitarbeiter hat bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis. Das gilt für die Verkäuferin bei Karstadt ebenso wie für den leitenden Ingenieur bei Airbus.

Ein einfaches Arbeitszeugnis, das nur Angaben zur Person, der Dauer der Beschäftigung und die Art der Tätigkeit enthält, kommt in der Praxis kaum noch vor.„Arbeitnehmer achten sehr darauf, dass sie ein solches Arbeitszeugnis erhalten“, sagt die Fachanwältin für Arbeitsrecht Inken Dubiel aus der Hamburger Kanzlei Wittig Ünalp. Doch um das Arbeitszeugnis gibt es auch viele Auseinandersetzungen. Denn die Floskeln in der Beurteilung haben große Tragweite für die weitere berufliche Entwicklung. Wenn bei der Bewerbung kein ordentliches Arbeitszeugnis vorgelegt werden kann, dann werden Personaler schnell misstrauisch. „Bei einer Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht wegen einer Kündigung wird das Zeugnis gleich mitverhandelt“, sagt Dubiel.

Ein Arbeitszeugnis muss nach einer bestimmten Gliederung aufgebaut sein und bestimmte Bestandteile enthalten. Diese formalen Kriterien lassen sich durch den Arbeitnehmer leicht überprüfen. So müssen der Zeitraum der Beschäftigung, die Tätigkeit, die fachliche Qualifikation, das Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kunden und die Gründe des Ausscheidens enthalten sein. Eine wohlwollende Schlussformel beschließt das Arbeitszeugnis. (Einzelheiten siehe: XXXX) Es sollte zwischen einer und anderthalb Seiten lang sein.Schwieriger ist es für den Angestellten schon, die einzelnen Aussagen zu bewerten. Allerdings ist die Angst vor Geheimcode-Formulierungen meist übertrieben, weil sie inzwischen identifiziert und weitgehend bekannt sind (siehe Tabelle). Ein viel größeres Problem in dem PapierArbeitszeugnissen sei das sogenannte beredte Schweigen, sagt Thomas Redekop, Geschäftsführer des Internetportals arbeitszeugnis.de. Es bedeutet, dass wichtige Bewertungen oder Passagen fehlen. Um sich keinen Ärger mit dem Arbeitsgericht einzuhandeln, lasse der Vorgesetzte Punkte aus, bei denen der Arbeitnehmer schlecht abschneidet, sagt Redekop. Dies falle dem potenziellen neuen Arbeitgeber aber oft auf. Fehle etwa die Bewertung des Fachwissens, könne der neue Arbeitgeber von einer ungenügenden Leistung ausgehen.

Den größten Streit gibt es um die Beurteilung der Mitarbeiterleistung. Hier geht es um seine Leistungsbereitschaft, sein Fachwissen sowie die Quantität und Qualität seiner Arbeit. Formulierungen wie „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ stehen für ein sehr gut. Wird das Wort „vollsten“ durch „vollen“ Zufriedenheit ersetzt, so ist das ein „gut“. Fehlt in der Floskel das Wörtchen „stets“ ist man schon bei der Note befriedigend, also einerDrei. Alle anderen Bewertungsformeln sind nicht mehr akzeptabel. Denn Floskeln wie „im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit erledigt“ stehen schon für ein mangelhaft.

Eine außergerichtliche Einigung ist im Zweifelsfall am besten

Negative Formulierungen können vor Gericht angefochten werden. Das ist auch der Grund für die oft verklausulierte Zeugnissprache – die eigentliche Botschaft steht zwischen den Zeilen. „In manche Sätze kann sehr viel
hinein interpretiert werden, aber meist nichts Gutes“, sagt die Berufsberaterin Marion Hodapp, die Menschen berät, die sich beruflich verändern wollen. Ein Beispiel: „Der Mitarbeiter war aufgrund seines hohen Fachwissens in der Lage, seine Aufgaben fachgemäß zu bearbeiten.“ Dahinter versteckt sich kein Lob: Er war nur in der Lage, es blieb also vieles liegen.

„Wer mit seinem Zeugnis nicht einverstanden ist, kann auch eine bessere Bewertung einklagen“, sagt Dubiel. Die Arbeitsgerichte gehen davon aus, dass im Regelfall eine durchschnittliche Leistung erbracht worden ist. „Ist die Note im Arbeitszeugnis schlechter als eine Drei, ist der Arbeitgeber in der Beweispflicht.“ Verlangt der Arbeitnehmer dagegen, mit „gut“ oder „sehr gut“ bewertet zu werden, muss er das nachweisen. „Besser ist es natürlich, wenn man sich außergerichtlich auf eine bessere Bewertung einigt“, sagt Dubiel. „Das spart Zeit und Nerven.“

Erst Ende des vergangenen Jahres hat das Bundesarbeitsgereicht die Hoffnung vieler Beschäftigter enttäuscht, einfacher an eine bessere Gesamtbeurteilung im Zeugnis zu gelangen. Die Formulierung „zur vollen Zufriedenheit“ (Note 3) sei weiterhin Maßstab für eine durchschnittliche Leistung, entschieden die Richter. Wolle ein Mitarbeiter eine bessere Bewertung, müsse er Gründe darlegen. Die Beweispflicht liege dann beim Arbeitnehmer. „Meist liegen die Bewertungen im Arbeitszeugnis bei den Noten Eins und Zwei“, sagt Redekop. Eine Studie der Universität Erlangen-Nürnberg kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Rund 40 Prozent der untersuchten Zeugnisse erhielten demnach die Note „sehr gut“. Fast 50 Prozent hatten die Note „gut“. Nur 0,6 Prozent der Arbeitszeugnisse waren „ausreichend“.

Idealerweise wird das Schriftstück Arbeitszeugnis dem Arbeitnehmer am Tag des Ausscheidens aus dem Betrieb persönlich übergeben. Doch in der Praxis klappt das nicht immer. In so einem Fall sollte man das Zeugnis schriftlich einfordern, rät Dubiel. „Wenn das Unternehmen nicht reagiert, kann geklagt das Arbeitszeugnis auch eingeklagt werden.“ Zu viel Zeit dürfen Arbeitnehmer sich aber nicht lassen. Denn der Anspruch auf eine Bewertung verfällt nach drei Jahren. Und das Recht auf eine Berichtigung ist nach Einschätzung der meisten Gerichte verwirkt, wenn sich der Arbeitnehmer länger als sechs Monate nach Ausstellung des Zeugnisses nicht darum bemüht hat.