„Den größten Fehler, den man im Leben machen kann, ist, immer Angst zu haben, einen Fehler zu machen.“ (Dietrich Bonhoeffer) Aber was ist, wenn sich meine Fehler häufen? Dann tut es gut, einen „Sündenbock“ zu finden, auf den ich meine Fehler abschieben kann. Dies ist gängige Praxis in Politik und Wirtschaft und im privaten Leben. Wenn der „Sündenbock“ – z. B. durch öffentliche Medienschelte, Entlassung oder gar Bestrafung – geopfert wird, dann stehe ich selbst wieder gut da. Aber sind damit wirklich alle Probleme gelöst?

Die Tradition des „Sündenbocks“ gab es bereits im frühen Judentum. Am Jom Kippur, dem Tag der Sündenvergebung, lud der Hohepriester die Sünden des Volkes Israel symbolisch auf einen Ziegenbock, der dann in die Wüste gejagt wurde und zugrunde ging. Das Sühneopfer sollte den Menschen die Last ihres Fehlverhaltens abnehmen. Ein „Sündenbock“ stirbt und macht dadurch alle Schuldigen frei.

„Die Strafe für unsere Schuld traf ihn, und wir sind gerettet. Er wurde verwundet, und wir sind heil geworden.“ (Jesaja 53,5)

Dieses Bild wurde später auf Jesus übertragen: „Genauso wurde auch Christus als Opfer dargebracht, das die Sünden der ganzen Menschheit auf sich nahm.“ (Hebräer 9,28)

„Sei ein Sünder und sündige kräftig, aber glaube noch stärker und freue dich in Christus, welcher der Sieger ist über die Sünde, den Tod und die Welt!“, schrieb Martin Luther in einem Brief an Philipp Melanchthon. Also ist heute alles erlaubt, weil es bereits in Jesus einen „Sündenbock“ gibt? – Nein!

„Vor dem Beichtiger sollen wir allein die Sünden bekennen, die wir wissen und fühlen im Herzen.“ So erklärt Martin Luther die Beichte, die es auch in der evangelischen Kirche gibt. Im geschützten Raum eines Beichtgespräches kann ich mich „entschuld(ig)en“ und bekomme die Vergebung zugesprochen. Vergeben heißt für immer vergessen. Aufatmen und frei sein. Das ermöglicht mir, aus meinen Fehlern zu lernen und neu anzufangen. Also: Schwamm drüber!

Gunnar Urbach ist Pastor im Ev.-Luth. Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein