Berlin. Zum ersten Mal entscheidet ein oberes Gericht, dass Blitzer-Apps gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen. Nutzern droht ein Bußgeld.

Irgendwie waren Blitzer-Apps immer so halb erlaubt, jedenfalls nicht komplett verboten. Die Nutzer handelten in einer rechtlichen Grauzone, wenn sie sich von ihnen auf ihrem Handy vor Radarfallen warnen ließen. Nun hat mit dem Oberlandesgericht (OLG) Celle zum ersten mal ein oberes Gericht entschieden, dass der Einsatz solcher Apps verboten ist. Autofahrern, die die App nutzen, droht ein Bußgeld.

Juristisch gesehen sei die Entscheidung fragwürdig, stellt der Düsseldorfer Verkehrsexperte und Fachanwalt für Strafrecht, Udo Vetter, in seinem „Law Blog“ heraus. Er beschreibt einen Fall, der Anfang November in letzter Instanz von den OLG-Richtern entschieden wurde. Es ging um einen Autofahrer, der die App „Blitzer.de“ auf seinem Smartphone installiert hatte. Er musste ein Bußgeld von 75 Euro zahlen, unter anderem, weil er sich von „Blitzer.de“ vor Geschwindigkeitskontrollen hatte warnen lassen.

Nutzer melden Radarkontrollen über die App

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) verbietet jedoch Fahrzeugführern, ein technisches Gerät zu „betreiben oder betriebsbereit mitzuführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen (...)“. Doch zeigen Apps wie „Blitzer.de“ tatsächlich Radarfallen an? „Genau das ist Auslegungssache der Juristen“, erklärt Vetter. Die App zeige nicht die Blitzer an sich an, sondern eigentlich nur die Meldungen über sie, also die Beobachtung von Menschen, sagt er.

„Jemand, der im Auto fährt und einen Blitzer sieht, kann ihn über die App melden“, beschreibt „Blitzer.de“-Sprecher Sebastian Knop die App. Die Meldungen werden automatisch veröffentlicht, die App warnt andere Nutzer, sobald sie sich mit ihrem Auto einem gemeldeten Blitzer nähern. Eine „Blitzer.de“-Redaktion kontrolliert und verifiziert die Meldungen.

Vergleichbar mit Blitzer-Warnung im Radio

Im Grunde sei dieser Dienst also vergleichbar mit Blitzer-Warnungen im Radio. „Ich bin mir gar nicht sicher, ob das OLG verstanden hat, was die App genau macht“, sagt Fachanwalt Vetter. In logischer Konsequenz wäre nach Auslegung des OLG Celle nämlich auch ein Radio ein solches nicht zulässiges technisches Gerät, so der Anwalt. Denn auch Radiosender warnten vor Blitzern, die ihnen Hörer zuvor gemeldet haben.

Ganz anders sieht das der ADAC-Jurist Jost Kärger. „Bisher gab es zwar keine Urteile, aber in der Fachwelt ist man sich einig: Blitzer-Apps sind nicht zulässig“, sagt er. Der entscheidende Punkt sei, dass die App eine technische Leistung erbringe, die ortsbezogen erfolge, erläutert Kärger weiter. Das heißt: Anders als beim Radio warne die App, sobald sich der Fahrer einer Radarfalle nähert. Bei der Radiomeldung müsse der Fahrer selbst die Informationen verarbeiten und verwerten. Zwei Juristen, drei Meinungen – so einig ist sich also die Fachwelt.

Ein weiterer Punkt, über den sich Juristen streiten dürften: Ist ein Smartphone ein Gerät, „das dafür bestimmt ist“, Verkehrskontrollen zu melden? „Ein Smartphone ist ein Telekommunikationsgerät“, sagt Fachanwalt Vetter, „keiner kauft sich schließlich ein Telefon extra dafür, um eine Blitzer-App zu installieren.“ Auch das sieht sein ADAC-Kollege anders; Handy und App bildeten demnach eine technische Einheit.

Bußgeld droht schon, wenn Blitzer-App nur installiert ist

In einem dritten Punkt jedoch stimmen die beiden Juristen überein: Um eine Ordnungswidrigkeit zu begehen, reiche es nach dem OLG-Urteil aus, als Autofahrer ein Handy bei sich zu haben, auf dem die Blitzer-App installiert ist. Denn die StVO verbiete Autofahrern schon, ein betriebsbereites Gerät mitzuführen. „Die App ist ja auf jeden Fall betriebsbereit, wenn sie auf dem Handy installiert ist. Ich brauche sie nur anzuklicken und schon ist sie in Betrieb“, verdeutlicht Vetter. Wer als Fahrzeugführer sicher gehen will, sollte also die App erst gar nicht installieren. Beifahrer könnten die App jedoch ohne Bedenken nutzen. „Das Gesetz gilt ganz klar nur für den Fahrzeugführer.“

Die Entscheidung des OLG Celle werde gravierenden Einfluss auf die zukünftige Rechtssprechung haben, vermutet Vetter. Schon häufiger habe es an Amtsgerichten ganz unterschiedliche Urteile zu Blitzer-Apps gegeben. Nun sei zum ersten Mal auf höherer Etage eine Entscheidung gefallen. „Das wird die Entscheidungen an der Basis natürlich prägen“, sagt Vetter. Das letzte Wort sieht er jedoch noch nicht gesprochen. „Es kann sein, dass die anderen Oberlandesgerichte zu ganz anderen Ergebnissen kommen“, sagt er. Das würde letztendlich dazu führen, dass sich der Bundesgerichtshof mit Blitzer-Apps auseinandersetzen müsste. „Aber das kann lange dauern.“

Auch für Anbieter wie „Blitzer.de“ hat der Beschluss des OLG Celle vermutlich weitreichende Folgen. Denn mit seiner Entscheidung hat das Gericht die App für illegal erklärt. „Blitzer.de“-Sprecher Sebastian Knop möchte bislang keine Stellung dazu beziehen. Zunächst müsse geprüft werden, was die Entscheidung für den App-Anbieter bedeute. Immerhin vier Millionen Nutzer in Deutschland und deutschsprachigen Ländern in Europa hätten „Blitzer.de“ installiert.