Als sie nach 21 Wochen und fünf Tagen zur Welt kam, gab Frieda keiner eine Chance. Jetzt wird Europas jüngstes Frühchen fünf Jahre alt.

Das größte Glück für Frieda wird sein, wenn sich am Sonnabend ihr Geburtstagswunsch erfüllt: „Schokoladenkuchen und ein Puppenhaus“, sagt sie mit heller Stimme. Für die Eltern ist es das schönste Geschenk, dass Frieda ihren fünften Geburtstag feiert. 2010 wurde sie als Europas jüngstes Frühchen geboren. Sie war halb so groß wie ein normal entwickeltes Baby und federleicht, als sie nach 21 Wochen und fünf Tagen Schwangerschaft auf die Welt kam. Sie wog 460 Gramm und war nur 26 Zentimeter groß. Aber Frieda trotzte ihrem Schicksal.

Normalerweise haben solch extrem unreife Neugeborenen fast keine Überlebenschance und später auch keine gute Perspektive. Aber Frieda ist ein Phänomen, sagt Prof. Reinald Repp, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Fulda, der Frieda vom 7. November 2010 bis zum 20. April 2011 betreut hat. „Sie zeigt keinerlei Defizite. „Das gibt es bei keinem dieser Kinder auf der Welt.“ Frieda stelle alle Prognosen auf den Kopf.

Sie ist in der so genannten Glückshaut geboren worden

Frieda habe unglaubliches Glück gehabt. Sie sei in der sogenannten Glückshaut auf die Welt gekommen. Dies sei die unverletzte Eihülle, die bestehen bleibt, wenn es nicht zum Sprung der Fruchtblase kommt. „Das wirkt schützend, wie ein Airbag.“

Frühgeborene ab etwa 24. Woche wiesen starke Auffälligkeiten körperlicher oder seelischer Natur auf. „Vielfach ist das Gehirn dauerhaft geschädigt“, so Repp. Die Ausfälle könnten so groß sein, dass sich das Kind zu einem Pflegefall entwickelt. Ebenfalls seien durch eine Unterentwicklung der Netzhaut Augenprobleme weit verbreitet.

Frieda ist ein fröhliches Mädchen. Einen Meter groß, nur 12,5 Kilo schwer wirkt das Kind zwar zierlich, aber energiegeladen: Wenn sie mit ihrer Mutter „Mensch ärgere Dich nicht“ spielt, fliegt der Würfel über das Spielfeld. Wenn sie malt, wirkt sie konzentriert und ganz bei sich. Am liebsten aber trällert sie vor sich hin. „,Ihr Kinderlein, kommet‘ singt sie das ganze Jahr“, erzählt ihre Mutter Yvonne, 38, überglücklich.

Beim Fahrradfahren fehlt ihr noch die Kraft

Doch ganz sorgenfrei ist Friedas Mutter nicht, ihre Tochter müsse sich noch zu häufig übergeben. „Denn sie merkt beim Essen nicht, wenn sie genug hat.“ Auch die Motorik sei bei Frieda nicht so geschmeidig. „Wenn sie hüpft oder rennt, sieht es etwas staksig aus. Und zum Fahrradfahren fehlt ihr noch die Kraft. Dafür hat sie eine gute Auffassungsgabe.“

Klinikchef Reinald Repp nimmt die Ängste der Eltern ernst. Wissenschaftlich sei in der Tat noch nicht geklärt, wie sich das Leben eines so früh geborenen Kindes weiterentwickelt. „Doch Frieda ist ein kleines Wunder. Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie später Probleme haben wird.“ Möglicherweise könne es zu einigen Konzentrationsstörungen in der Schule kommen. Aber damit hätten andere Kinder auch zu kämpfen. Frieda sei „locker mit einem gleichaltrigen Kind zu vergleichen“, das als Wonneproppen auf die Welt kam, so der Arzt.

Überlebenschancen der frühgeborenen Kinder

Eine übliche Schwangerschaft dauert 40 Wochen. Ab der 37. Woche spricht man von einer Frühgeburt. Das trifft auf jede zehnte Geburt in Deutschland zu. 72 Prozent der Kinder, die nach Vollendung der 24. Schwangerschaftswoche geboren werden, überleben. Doch kritisch würde es, wenn die Geburt schon nach der 22. Woche eintritt. Nur knapp 21 Prozent überleben, dann oft mit schweren Komplikationen.

Wenn Frieda am Sonnabend Geburtstag feiert, wird aber auch Trauer mitschwingen. Ihr Zwillingsbruder Kilian starb sechs Wochen nach der Entbindung an Herz- und Darmproblemen.