Leipzig. Ein 20-Jähriger Leipziger wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt, weil er aus dem Kinderzimmer übers Internet Drogen verkaufte.

Mit verschränkten Händen und undurchdringlichem Blick hört der „Kinderzimmer-Dealer“ sein Urteil an. Zu sieben Jahren Jugendstrafe verurteilt ihn das Landgericht Leipzig am Montag. Es ist die Quittung für 15 Monate Drogenhandel: Im heimischen Kinderzimmer war der 20-jährige Leipziger vom einzelgängerischen Computerfreak zum Großdealer aufgestiegen. Er hat zugegeben, von Dezember 2013 bis zu seiner Verhaftung im Februar 2015 fast eine Tonne Drogen, darunter Kokain, Ecstasy und Haschisch, über das Internet verkauft zu haben. Eine „Schnapsidee“ nannte er das im Nachhinein.

„Er wollte der Größte und Beste sein“

Staatsanwalt André Kuhnert sagt: „Er wollte im Internet als Drogenhändler der Größte und Beste sein.“ Er bescheinigt dem 20-Jährigen zugleich eine hohe Professionalität und kriminelle Energie. Die Drogenbörse „Shiny Flakes“ sei ein ausgeklügeltes System mit Verschlüsselungen, anonymen Mailadressen und ausländischen Servern gewesen. Die Drogen lagerte der Dealer in seinem Kinderzimmer. Hätte der 20-Jährige nicht beim Adressieren seiner Drogenpäckchen geschlampt - die Polizei wäre ihm technisch kaum auf die Spur gekommen. Das hatte auch ein Polizist im Prozess ausgesagt.

Trotzdem sei es „naiv“ gewesen zu glauben, dass „Shiny Flakes“ nicht irgendwann auffliegen würde, sagt der Vorsitzende Richter Norbert Göbel in seiner Urteilsbegründung. Die Jugendkammer sei aus dem 20-Jährigen nicht richtig schlau geworden. „Es ist schwierig, hinter Ihre Fassade zu gucken“, sagte Göbel zum Angeklagten. Einerseits sei der 20-Jährige ganz klar ein Verbrecher, andererseits noch „ein naiver Junge“. Das ausführliche Geständnis hält die Kammer dem „Kinderzimmer-Dealer“ zu Gute. Allerdings: „Dass irgendwie ein Wort des Bedauerns gekommen wäre, das haben wir nicht gehört“, sagt Göbel.

Gutachter bescheinigt fehlende emotionale Reife

Lange stand die Frage im Raum, ob der 20-Jährige nach dem Jugend- oder dem Erwachsenenstrafrecht zu behandeln sei. Ein psychiatrischer Gutachter bescheinigte ihm schließlich eine fehlende emotionale Reife. Der Mann sei zwar sehr intelligent, aber ihm fehle fast völlig das Gespür im Umgang mit Menschen, sagt der Sachverständige, Oberarzt Christof Hieronymus. Freunde habe er keine gehabt, und schon zu Schulzeiten sei er ein Außenseiter gewesen. Der Gutachter spricht sich für das Jugendstrafrecht aus - und alle Beteiligten ebenso.

Der Staatsanwalt fordert acht Jahre und acht Monate Jugendstrafe. Er beantragt zudem einen sogenannten Verfall von Wertersatz über drei Millionen Euro - weil nicht sicher sei, ob der 20-Jährige nicht noch irgendwo Geld aus seinen illegalen Geschäften gebunkert habe. Immerhin soll er insgesamt 4,3 Millionen Euro umgesetzt haben. Kommt er in Zukunft irgendwie zu Geld, könnte der Staat das einfordern. Das Gericht gibt diesem Antrag statt, denn auch die Kammer meint: „Da muss noch was sein.“ Der Verteidiger plädierte nur auf sechseinhalb Jahre - und hält sich nun eine Revision offen.

Der 20-Jährige will nicht des Geldes wegen gedealt haben

Warum sich der 20-Jährige ausgerechnet auf Drogen-Geschäfte verlegt hat, wird im gesamten Prozess nicht so recht klar. Immer wieder sagt der Verteidiger, es hätten auch Schuhe sein können. Ums Geld sei es dem 20-Jährigen nie gegangen, er habe bescheiden gelebt. Auch die Jugendkammer bleibt in der Hinsicht ratlos. Allerdings greift Richter Göbel noch einmal die „Schnapsidee“ auf: „Das war es mitnichten. Das war generalstabsmäßig aufgezogen, mit hoher krimineller Energie.“ (dpa)