Peking. China stellt den ersten Mittelstreckenflieger aus rein chinesischer Produktion. In der C919 steckt technisches Wissen aus dem Westen.

Chinesen können Hochgeschwindigkeitszüge bauen, Superrechner entwickeln, und eine Mondlandung ist ihnen auch schon gelungen. Nur beim Bau von Passagierflugzeugen hatte sich die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt bislang passen müssen. Das ändert sich derzeit.

China hat am Montag in Shanghai seinen ersten Mittelstreckenflieger aus rein chinesischer Fabrikation präsentiert. Die C919 des chinesischen Staatskonzerns Comac soll Firmenangaben zufolge künftig eine Reichweite von bis zu 5500 Kilometern haben. In der präsentierten Maschine können 156 Menschen Platz finden, künftig soll es Modelle mit weiteren Plätze geben.

Termin für ersten Testflug noch unklar

Der erste Testflug findet laut Comac voraussichtlich Anfang des nächsten Jahres statt. Einige chinesische Staatsmedien befürchten jedoch, der erste Flug könnte sich auch bis 2017 verschieben. Comac-Chef Jin Zhuanglog sprach am Montag von einem „bedeutenden Meilenstein“ für Chinas Flugzeugindustrie. Comac hofft, ab 2018 mit der C919 in Konkurrenz zum Airbus A320 und zur Boeing 737 in Serienproduktion gehen zu können. Angeblich soll es für dieses Flugzeug bereits über Bestellungen geben, die meisten von chinesischen Fluggesellschaften.

Technologisch ist die Entwicklung von Mittelstrecken- und Großraumflugzeugen ein gewaltiges Unterfangen und durchaus vergleichbar mit einer Mondlandung. Und auch ökonomisch ist der Aufwand enorm. Bis zu zehn Milliarden Euro kostet die Entwicklung eines modernen Großraumflugzeugs. Private Geldgeber finden sich für so hohe Entwicklungskosten nur selten. Nur mit staatlicher Hilfe großer Volkswirtschaften lassen sich diese hohen Kosten stemmen.

China hatte Ziel vor zehn Jahren ausgegeben

Auch wenn es in der Geschichte der zivilen Luftfahrt immer wieder Versuche auch kleinerer Länder gab, eine eigene zivile Flugzeugindustrie aufzubauen, sind in den vergangenen knapp 20 Jahren nur zwei Bauer für Mittelstrecken- und Großraumflugzeuge übrig geblieben: Boeing in den USA und EADS mit dem Airbus in der Europäischen Union. In Russland haben sich die diversen russischen Flugzeugbauer zusammengeschlossen und arbeiten zwar an neuen Typen. Wegen der Wirtschaftskrise stockt die Entwicklung momentan jedoch. Brasilien mit dem Anbieter Embraer und Kanada mit Bombardier haben es immerhin geschafft, sich auf dem Markt für Regionaljets für bis 130 Passagiere zu behaupten.

Chinas Führung hatte sich vor zehn Jahren zum Ziel gesetzt, mit der Entwicklung eigener Maschinen dem Duopol Airbus und Boeing Konkurrenz zu machen. Anfangs wurden die Chinesen noch belächelt. Doch über geschickte Verhandlungen gelang es Peking sowohl Airbus als auch Boeing dazu zu verpflichten, mit Endmontagefabriken in der ostchinesischen Hafenstadt Tianjin eine Zusammenarbeit mit dem chinesischen Flugzeugbauer Comac einzugehen.

Wissen von Boeing und Airbus abgegriffen

An dieser Zusammenarbeit verdient das Duopol zwar kräftig mit. Die Volksrepublik ist seit Jahren der am schnellsten wachsende Markt der zivilen Flugzeugindustrie. Allein 2013 verkaufte Airbus an die Chinesen 133 Passagierflugzeuge, Boeing sogar 143. Über diese Kooperationen konnten die Chinesen aber zugleich sehr viel technisches Wissen von Airbus und Boeing abgreifen. In weniger als nur einem Jahrzehnt hat Comac einen Entwicklungsschub vollzogen, für den Airbus und Boeing Jahrzehnte benötigte.

Doch nicht nur technisch versprechen die künftigen Comac-Maschinen mit der westlichen Konkurrenz mithalten zu können. Preislich dürften die chinesischen Maschinen sogar günstiger sein. Genaue Preise sind zwar noch nicht bekannt. Der bereits von Comac entwickelte Regionaljet ARJ-21 liegt rund zehn Prozent unter dem Preis von einer vergleichbaren Maschine von Bombardier.

Interesse auch aus Afrika und Südamerika

Chinas Vorteil: Der Eigenbedarf ist gigantisch. Und so wie bei europäischen Fluggesellschaften Maschinen von Airbus dominieren und die US-Fluggesellschaften Boeings bevorzugen, ist davon auszugehen, dass die chinesische Führung ihre Fluggesellschaften künftig dazu verpflichten wird, mit Comac-Maschinen zu fliegen. Die meisten von ihnen befinden sich ohnehin in staatlicher Hand. Auch andere aufstrebende Länder vor allem in Afrika und Lateinamerika, mit denen China enge wirtschaftliche Beziehungen pflegt, zeigen Interesse. Für Kongo hat Peking schon finanzielle Beihilfen beim Kauf von Comac-Maschinen zugesagt.

Verzagen müssen Boeing und Airbus angesichts der neuen Konkurrenz aus Fernost aber nicht. Boeing hat errechnet, dass China bis 2029 seinen Flottenbestand von derzeit rund 1.500 auf über 5.000 Fliegern mehr als verdreifachen wird. Da dürften auch Aufträge für Airbus und Boeing übrig bleiben.

Hier rollt Chinas erstes Mittelstreckenflugzeug C919 an

Erstmals auf großer Bühne: Vorhang auf für die C919, das erste in China entwickelte Passagierflugzeug. Bei der Präsentation fotografierten die Ehrengäste ausgiebig.
Erstmals auf großer Bühne: Vorhang auf für die C919, das erste in China entwickelte Passagierflugzeug. Bei der Präsentation fotografierten die Ehrengäste ausgiebig. © REUTERS | CHINA STRINGER NETWORK
Sieben Jahre hatte die staatliche Commercial Aircraft Corporation of China Ltd  (Comac) auf diesen Moment hingearbeitet.
Sieben Jahre hatte die staatliche Commercial Aircraft Corporation of China Ltd (Comac) auf diesen Moment hingearbeitet. © dpa | Stringer
Das Flugzeug ist Chinas Gegenstück zu der Boeing 737 und dem Airbus 320. Der Flugverkehr wächst stark in China, bislang musste das Land aber alle Maschinen im Ausland ordern.
Das Flugzeug ist Chinas Gegenstück zu der Boeing 737 und dem Airbus 320. Der Flugverkehr wächst stark in China, bislang musste das Land aber alle Maschinen im Ausland ordern. © dpa | Stringer
Mit einer Länge von 38,60 Metern und einer Spannweite von 35,40 Metern entspricht die C919 ungefähr den Maßen der beiden Konkurrenzmaschinen aus den USA und Europa.
Mit einer Länge von 38,60 Metern und einer Spannweite von 35,40 Metern entspricht die C919 ungefähr den Maßen der beiden Konkurrenzmaschinen aus den USA und Europa. © REUTERS | CHINA STRINGER NETWORK
158 Passagieren bietet die C919 Platz.
158 Passagieren bietet die C919 Platz. © Getty Images | ChinaFotoPress
Später einmal soll die Maschine 174 Fluggäste aufnehmen. Angedacht sind auch  die größeren Flugzeuge C929 und C939 mit rund 300 und rund 400 Sitzen.
Später einmal soll die Maschine 174 Fluggäste aufnehmen. Angedacht sind auch die größeren Flugzeuge C929 und C939 mit rund 300 und rund 400 Sitzen. © dpa | Stringer
Die maximale Flugstrecke der vorgestellten Maschine soll bei 4075 Kilometern liegen.
Die maximale Flugstrecke der vorgestellten Maschine soll bei 4075 Kilometern liegen. © dpa | Stringer
Der Präsentation der ersten Maschine am 2. November soll im kommenden Jahr die Serienproduktion folgen.
Der Präsentation der ersten Maschine am 2. November soll im kommenden Jahr die Serienproduktion folgen. © REUTERS | CHINA STRINGER NETWORK
Chinas Fluggesellschaften wurden verpflichtet, jeweils mindestens 20 Modelle zu bestellen.
Chinas Fluggesellschaften wurden verpflichtet, jeweils mindestens 20 Modelle zu bestellen. © Getty Images | ChinaFotoPress
Nach Angaben der chinesischen Agentur Xinhua gibt es insgesamt 517 Bestellungen von 21 Kunden. Chinesische Luftfahrtexperten wiesen jedoch darauf hin,  dass es sich häufig nur um Kaufabsichten handele.
Nach Angaben der chinesischen Agentur Xinhua gibt es insgesamt 517 Bestellungen von 21 Kunden. Chinesische Luftfahrtexperten wiesen jedoch darauf hin, dass es sich häufig nur um Kaufabsichten handele. © REUTERS | CHINA STRINGER NETWORK
Vorgestellt wurde die Maschine in Shanghai, wo sie auch produziert wird.
Vorgestellt wurde die Maschine in Shanghai, wo sie auch produziert wird. © REUTERS | CHINA STRINGER NETWORK
1/11