Kairo/Moskau. Ein technischer Defekt soll für den Absturz verantwortlich sein. Die Lufthansa umfliegt die Sinai-Halbinsel bis die Ursache klar ist.

  • Behörden untersuchen zwei Black Boxes, um Absturzursache zu klären
  • Islamische Staat (IS) will nach eigener Darstellung für Katatstrophe verantwortlich sein
  • Behörden-Sprecher aus Russland bezeichnen angeblichen Abschuss als unwahrscheinlich
  • Lufthansa und Air France umfliegen Sinai-Halbinsel vorerst aus Sicherheitsgründen
  • Bundeskanzlerin Merkel und US-Außenminister Kerry sprechen Beileid aus

Ein russisches Passagierflugzeug mit 224 Menschen an Bord ist über der ägyptischen Sinai-Halbinsel abgestürzt. Bei dem Unglück kamen russischen Behörden zufolge auch 24 Kinder ums Leben. Die meisten Opfer seien Russen, einige andere Passagiere stammten vermutlich aus der Ukraine und aus Weißrussland, hieß es. Der Airbus A321 der sibirischen Fluggesellschaft Kolavia sei am Samstagmorgen kurz nach dem Start in Scharm el-Scheich am Roten Meer in einer Bergregion zerschellt, teilte das Luftverkehrsministerium in Kairo mit. Das Flugzeug ist offenbar in zwei Teile zerbrochen. Viele der Opfer säßen noch angeschnallt in ihren Sitzen, sagte ein Helfer. Laut Behörden gab es keine Überlebenden.

Der Airbus war dem Luftfahrtministerium zufolge um kurz vor 6 Uhr Kairoer Ortszeit nach St. Petersburg gestartet, wo er um 10.20 Uhr MEZ (12.20 Uhr Ortszeit) erwartet wurde. 23 Minuten nach dem Start verschwand die Maschine in rund 9500 Metern Höhe vom Radar.

Maschine verschwand Minuten nach dem Start vom Radar

Verzweiflung bei den Angehörigen der Passagiere der Unglücksmaschine: Nach Angaben von Sicherheitbehörden gibt es keine Überlebenden.
Verzweiflung bei den Angehörigen der Passagiere der Unglücksmaschine: Nach Angaben von Sicherheitbehörden gibt es keine Überlebenden. © dpa | Anatoly Maltsev

Die Unglücksursache war zunächst unklar. Ägyptische Behörden gehen von einem technischen Defekt aus. Wie die Deutsche Presse-Agentur am Samstag aus Sicherheitskreisen erfuhr, wird ein Terrorangriff ausgeschlossen: „Der Unfall war das Ergebnis eines technischen Problems“, sagte ein Behördenmitarbeiter, der anonym bleiben wollte.

Die französische Behörde für Flugsicherheit (BEA) schickt ein Expertenteam nach Ägypten, um den Absturz eines Airbus auf der Sinai-Halbinsel zu untersuchen. Zudem sollen sechs technische Berater von Airbus am Sonntag die beiden Ermittler begleiten, teilte die BEA am Samstagabend mit. Hinzu kämen zwei Mitarbeiter der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung und vier Fachleute der russischen Flugbehörden.

IS will nach eigener Darstellung verantwortlich sein

Die Unglücksmaschine, fotografiert am 17. September 2015 im türkischen Antalya: Der Airbus A-321 war 18 Jahre alt und gehörte der sibirischen Fluggesellschaft
Die Unglücksmaschine, fotografiert am 17. September 2015 im türkischen Antalya: Der Airbus A-321 war 18 Jahre alt und gehörte der sibirischen Fluggesellschaft © REUTERS | STRINGER/GERMANY

Eine Gruppe mit Verbindungen zur Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) ist nach eigener Darstellung für den Absturz einer russischen Passagiermaschine in Ägypten verantwortlich. Ziel der Kämpfer seien 220 russische „Kreuzfahrer“ an Bord des Flugzeugs gewesen, hieß es am Samstag in einer auf Twitter verbreiteten Erklärung. „Dank Gottes Hilfe wurden sie alle getötet.“ Russland fliegt seit ein paar Wochen Luftangriffe in Syrien, wo der IS weite Teile des Landes unter seine Kontrolle gebracht hat. Weitere Hinweise gibt es allerdings nicht.

Der russische Präsident Präsident Wladimir Putin hat die Bildung einer staatlichen Untersuchungskommission angeordnet. Die Leitung übernehme Regierungschef Dmitri Medwedew, teilte der Kreml in Moskau am Samstag mit. Putin ordnete zudem sofortige Hilfe für die Angehörigen der Opfer an und sprach ihnen sein Beileid aus. Die russische Generalstaatsanwaltschaft leitete der Agentur Interfax zufolge eine Prüfung der Tragödie ein.

Russischer Behördensprecher: „Abschuss unwahrscheinlich“

Russland hat einen angeblichen Abschuss als Grund für den Absturz des russischen Passierflugzeugs derweil als unwahrscheinlich bezeichnet. „Allen Daten zufolge, die uns Ägypten zur Verfügung gestellt hat, sind solche Behauptungen unglaubwürdig“, sagte Verkehrsminister Maxim Sokolow am Samstag der Agentur Interfax.

Russland trauert um 224 Tote bei Absturz auf dem Sinai

Der ägyptische Premierminister Sherif Ismail (rechts) besuchte am Samstag den Unglücksort: Die russische Passagiermaschine stürzte in einer zerklüfteten Bergregion auf der Sinai-Halbinsel ab. Bei dem Flugzeug handelte es sich um eine Maschine der Fluggesellschaft Kogalymavia, um einen Airbus des Typs A321-200.
Der ägyptische Premierminister Sherif Ismail (rechts) besuchte am Samstag den Unglücksort: Die russische Passagiermaschine stürzte in einer zerklüfteten Bergregion auf der Sinai-Halbinsel ab. Bei dem Flugzeug handelte es sich um eine Maschine der Fluggesellschaft Kogalymavia, um einen Airbus des Typs A321-200. © dpa | Str
Die Trümmerteile verstreuten sich nach dem Aufprall weit in der Umgebung.  Die Maschine war am frühen Morgen im Ferienort Scharm al-Scheich gestartet und auf dem Weg nach St. Petersburg. Die Maschine soll nach Medienberichten gegen 6.13 Uhr am Samstagmorgen hier abgestürzt sein.
Die Trümmerteile verstreuten sich nach dem Aufprall weit in der Umgebung. Die Maschine war am frühen Morgen im Ferienort Scharm al-Scheich gestartet und auf dem Weg nach St. Petersburg. Die Maschine soll nach Medienberichten gegen 6.13 Uhr am Samstagmorgen hier abgestürzt sein. © dpa | Str
Am Kabrit Militärflughafen in Suez, östlich von Kairo, transportieren Soldaten und Helfer die Opfer von einem Rettungshubschrauber in einen Krankenwagen. Später werden sie in die Hauptstadt gebracht.
Am Kabrit Militärflughafen in Suez, östlich von Kairo, transportieren Soldaten und Helfer die Opfer von einem Rettungshubschrauber in einen Krankenwagen. Später werden sie in die Hauptstadt gebracht. © dpa | Str
Laut Berichten schickte die ägyptische Regierung mehr als 45 Krankenwagen, um die Opfer zu transportieren. Bei dem Unglück kamen den Behörden zufolge 24 Kinder ums Leben. Die meisten Opfer seien Russen, einige andere Passagiere stammten vermutlich aus der Ukraine und aus Weißrussland, hieß es.
Laut Berichten schickte die ägyptische Regierung mehr als 45 Krankenwagen, um die Opfer zu transportieren. Bei dem Unglück kamen den Behörden zufolge 24 Kinder ums Leben. Die meisten Opfer seien Russen, einige andere Passagiere stammten vermutlich aus der Ukraine und aus Weißrussland, hieß es. © dpa | Str
Ägyptische Sicherheitsbeamte warten in der Hauptstadt Kairo auf die Krankenwagen mit den Opfern der Katastrophe. 23 Minuten nach dem Start des Flugzeugs  war der Kontakt zur Maschine abgerissen.
Ägyptische Sicherheitsbeamte warten in der Hauptstadt Kairo auf die Krankenwagen mit den Opfern der Katastrophe. 23 Minuten nach dem Start des Flugzeugs war der Kontakt zur Maschine abgerissen. © dpa | Mohammed Hossam
Am Abend erreichten viele der Krankwagen schließlich die Stadt. Nicht nur die Menschen in Ägypten trauerten, auch in Russland und der Ukraine sorgte die Nachricht für Bestürzung.
Am Abend erreichten viele der Krankwagen schließlich die Stadt. Nicht nur die Menschen in Ägypten trauerten, auch in Russland und der Ukraine sorgte die Nachricht für Bestürzung. © dpa | Mohammed Hossam
Am Flughafen in St. Petersburg wurde der Flug 9268 aus Ägypten auf den Tafeln nicht angezeigt. Die Trauernde fielen sich, nachdem sie die Botschaft vom Unglück erreicht hatte, um die Arme.
Am Flughafen in St. Petersburg wurde der Flug 9268 aus Ägypten auf den Tafeln nicht angezeigt. Die Trauernde fielen sich, nachdem sie die Botschaft vom Unglück erreicht hatte, um die Arme. © REUTERS | STRINGER/RUSSIA
In der Ankunftshalle des Flughafens betreuten später Psychologen die Hinterbliebenen. Die Fernsehsender berichteten den ganzen Tag über die traurige Nachricht.
In der Ankunftshalle des Flughafens betreuten später Psychologen die Hinterbliebenen. Die Fernsehsender berichteten den ganzen Tag über die traurige Nachricht. © REUTERS | STRINGER/RUSSIA
Auch in der Ukraine, vor der russischen Botschaft in Kiew, legten Menschen Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Immer wieder versammelten sich Trauernde und sprachen ihr Beileid aus.
Auch in der Ukraine, vor der russischen Botschaft in Kiew, legten Menschen Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Immer wieder versammelten sich Trauernde und sprachen ihr Beileid aus. © dpa | Sergey Dolzhenko
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Der russische Militärexperte Igor Korotschenko sagte, für den Abschuss einer Maschine in rund 10 000 Meter Höhe besitze der IS wohl nicht die nötigen Waffen. „Was höher fliegt als etwa 4500 Meter, ist für sie ziemlich sicher nicht erreichbar“, erläuterte er.

Kremlchef Wladimir Putin telefonierte unterdessen mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah Al-Sisi. Die Staatsoberhäupter hätten einen engen Informationsaustausch bei der Klärung der Katastrophe vereinbart, hieß es in Moskau.

Ein Krankenwagen mit Opfern erreicht die ägyptische Hauptstadt Kairo
Ein Krankenwagen mit Opfern erreicht die ägyptische Hauptstadt Kairo © dpa | Mohammed Hossam

Lufthansa umfliegt Gebiet bis Absturzursache klar ist

Die Lufthansa reagiert auf den Vorfall und umfliegt ab sofort die Sinai-Halbinsel mit ihren Maschinen. „Sicherheit hat oberste Priorität, bis die Ursache des Absturzes völlig klar ist, überfliegen wir das Gebiet nicht“, sagte eine Sprecherin unserer Redaktion. Bereits am frühen Morgen hätte die größte deutsche Fluggesellschaft entschieden, diesen Schritt zu gehen. Laut Medienberichten hat auch Air France beschlossen, vorrübergehend keine Maschinen mehr über die Region fliegen zu lassen.

Das Flugzeug war russischen Medienberichten zufolge gut 18 Jahre alt und gehörte der Fluggesellschaft Kolavia seit März 2012. Das Kurz- und Mittelstreckenflugzeug A321 des europäischen Flugzeugbauers Airbus ist die größere Ausführung des Passagierjets A320. Die Versionen unterscheiden sich vor allem in ihrer Länge und damit im Platzangebot. Im 44,51 Meter langen A321 können bis zu 220 Fluggäste befördert werden. Laut Moskauer Medien wurde Flug 9268 vom Subunternehmen MetroJet durchgeführt.

Der Absturzort liegt den Angaben zufolge in der Region Hassana, südlich der Mittelmeerküste. Der russische Wetterdienst Rosgidrometa teilte mit, in der Region hätten keine schwierigen Flugbedingungen geherrscht. „Es gibt etwas Bewölkung, die Sicht beträgt sechs bis acht Kilometer“, sagte ein Mitarbeiter.

Angela Merkel kondoliert Putin in einem Telefonat

„Unser tief empfundenes Mitgefühl ist bei den Angehörigen und Freunden der Menschen, die bei diesem furchtbaren Unglück ums Leben gekommen sind“, sagte sie nach Angaben des Presseamtes der Bundesregierung in einem Telefonat mit Putin. „Deutschland trauert mit Russland um die Opfer.“

Der französische Präsident François Hollande hat Präsidenten Putin das Beileid Frankreichs übermittelt. „Es war mir wichtig, dem russischen Volk nach dieser Katastrophe unsere Solidarität auszusprechen“, sagte Hollande am Samstag bei einem Besuch der Abtei Mont-Saint-Michel an der Küste der Normandie.

Mit Hubschraubern wurden die Opfer zum Flughafen Kabrit, östlich von Kairo, transportiert.
Mit Hubschraubern wurden die Opfer zum Flughafen Kabrit, östlich von Kairo, transportiert. © REUTERS | STRINGER

Der Generalsekretär des Europarates in Straßburg, Thorbjørn Jagland, äußerte sich schwer erschüttert. „Dies ist ein schrecklicher Verlust für unser Mitgliedsland Russland“, sagte Jagland. Im Namen des Europarates und aller seiner Mitgliedsstaaten sprach er den Russen seine tiefste Trauer und sein Mitgefühl aus.

Die Regierung in Moskau hat nach dem Absturz diesen Sonntag zum Tag der Trauer erklärt. Ministerpräsident Dmitri Medwedew nannte den Tod der 224 Menschen an Bord am Samstag einen „nicht gutzumachenden Verlust“. Die meisten Opfer seien Russen, einige andere Passagiere stammten vermutlich aus der Ukraine und aus Weißrussland, hieß es.

US-Außenminister John Kerry hat seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow die „tiefste Anteilnahme“ der USA ausgesprochen. Die Maschine mit 224 Menschen an Bord war über der Sinai-Halbinsel abgestürzt. Kerry habe Russland bei der Aufarbeitung des Absturzes die Hilfe der Vereinigten Staaten angeboten, sagte sein Sprecher Mark Toner am Samstag

Psychologen betreuten die Hinterbliebenen am Flughafen von St. Petersburg, wo der Airbus 321 aus Ägypten um die Mittagszeit hätte landen sollen. Die Behörden zufolge sollen die Angehörigen an der Unglücksstelle auf der Sinai-Halbinsel Abschied nehmen können. Ein Großteil der Region ist wegen Terrorgefahr allerdings Sperrgebiet.

Die ägyptischen Behörden wollen zunächst die zwei geborgenen Black Boxes auswerten, bevor sie Angaben zur Absturzursache machen.(rtr/dpa)