Washington. Der 14-Jährige, den texanische Polizisten irrtümlicherweise für einen Bombenbastler hielten, war am Montagabend zu Gast im Weißen Haus.

Mit seiner selbst gebastelten Uhr hätte Ahmed Mohamed im Weißen Haus wenig Staat gemacht. Darum ließ er sie gleich zu Hause in Texas. Bei der großen „Nacht der Astronomie“, zu der Barack Obama am Montagabend 300 begeisterte Jung-Tüftler und alte Hasen der Wissenschaft nebst elf ehemaligen Astronauten eingeladen hatte, um Erfindergeist und Zukunfts-Technologien einen Schub zu geben, waren entschieden raffiniertere Exponate herangeschafft worden.

Allein, ohne die Uhr wäre der 14-jährige Nachwuchs-Wissenschaftler aus Irving wohl nie an die kurzfristige Einladung für die begehrte Veranstaltung am Amtssitz des Präsidenten gekommen. Auch darum hielten viele Gäste auf dem Süd-Rasen des Weißen Hauses nicht so sehr am klaren Abendhimmel nach den Sternen Ausschau. Sondern nach dem schlaksigen Brillenträger, der es vor vier Wochen in die Weltnachrichten schaffte. Ausgerechnet in einem T-Shirt der Raumfahrtbehörde Nasa.

Ahmed war in Handschellen abgeführt worden

Nachdem seine Englisch-Lehrerin an der Highschool im September eine von dem Neuntklässler sudanesischer Herkunft zusammengeschraubte Uhr für eine Bombe gehalten hatte und die Polizei rief, erlebte Amerika eine jener bizarren Episoden von Alarmismus und verstecktem Rassismus, die sich seit den Attentaten vom 11. September 2001 häufen. Ahmed Mohammed wurde, obwohl der Verdacht schnell ausgeräumt werden konnte, in Handschellen aus der Schule abgeführt, stundenlang in einer Jugendgefängniszelle festgehalten, von sechs Polizisten rüde vernommen, samt Fingerabdrücken wie ein potenzieller Schwerverbrecher behandelt und drei Tage vom Unterricht suspendiert.

Zur zweiten „Astronomie“ hat US-Präsident Barack Obama Schüler, Lehrer, Wissenschaftler und Astronauten ins Weiße Haus eingeladen.
Zur zweiten „Astronomie“ hat US-Präsident Barack Obama Schüler, Lehrer, Wissenschaftler und Astronauten ins Weiße Haus eingeladen. © dpa | Jim Lo Scalzo

Über die sozialen Medien sorgte der Fall in Windeseile für internationales Aufsehen. Der Rest ist Geschichte, aber immer noch kurios. Die Polizei in Irving ging schon am Tag darauf in Sack und Asche und sprach Mohamed zerknirscht von jedem Verdacht frei. Soziologen und Kriminologen beugten sich über den paranoide Züge tragenden Fall kleinstädtischen Misstrauens und äußerten starke Zweifel am Urteilsvermögen der lokalen Sicherheitsbehörden und dem der Lehrer.

Obamas Einladung kam per Twitter

Obama reagierte am schnellsten. Via Twitter stellte sich der Präsident an die Seite des schmächtigen Muslimen. „Coole Uhr, Ahmed. Willst Du sie mal im Weißen Haus zeigen?“ In der hoffnungslos verkorsten „Anti-Terror-Aktion“ erkannte das Weiße Haus schnell die Gefahr der Entmutigung für andere junge Bastler, die nach der Schule auf der Suche nach dem „nächsten heißen Ding“ sind. Ahmed Mohamed griff gern nach dem Rettungsanker.

Das erlebte Unrecht hat den Teenager über Nacht zum Star gemacht. Seine Schule in Texas hat er verlassen und wird, bis eine neue gefunden ist, daheim von den Eltern unterrichtet. Facebook-Chef Mark Zuckerberg lud ihn ein. Ebenso Google-Mitgründer Sergej Brin. Die berühmte Zukunftsschmiede MIT (Massachusetts Institute of Technology) in Boston bot ihm einen Studienplatz an. Am Rande der Vereinten Nationen stellten sich der türkische Premierminister Ahmet Davatoglu und Jordaniens Königin Rania bereitwillig für Selfies zur Verfügung. Zuletzt empfing ihn der sudanesische Präsident Bashir. Und der „Rat für amerikanische-islamische Beziehungen“ verlieh Ahmed den Titel „American Muslim“ des Jahres.

Republikanerin Palin verdächtigt Ahmed weiterhin

Sehr zum Leidwesen rechtskonservativer Republikaner wie Sarah Palin. Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin ist sich bis heute für keine Verschwörungstheorie zu schade und davon überzeugt, das Ahmed doch etwas im Schilde führte und die Sicherheitskräfte in Texas exakt nach Vorschrift gehandelt haben. Senator Ted Cruz, aktuell für die Republikaner im Bewerberkreis für das Präsidentschaftsticket 2016, warf Obama vor, mit der Einladung Ahmeds „politisches Kapital“ aus einer Überrreaktion schlagen zu wollen. Ahmed bekümmert das nicht wirklich. Er ist sich sicher; „Wäre ich weiß gewesen, hätte man mich nicht verhaftet.“ Davon abgesehen: „Ich interessiere mich nicht so sehr für Politik. Ich sehe mich in der Wissenschaft, jedenfalls die nächsten Jahrzehnte.“

Obama wird das gefallen haben. Die „Nacht der Astronomen“ gehört seit 2009 zu seinen Lieblingsveranstaltungen. Der Präsident ist an allem interessiert, was sich im Weltall abspielt. Oder abspielen könnte. Als Nasa-Astronaut Scott Kelly zu seinem einjährigen Aufenthalt in der Internationalen Raumstation ISS aufbrach, bat Obama um regelmäßige Instagram-Nachrichten. Bevor der neue Kino-Film „Der Marsianer“ anlief, bekam der Präsident vorab eine Extra-Vorführung. Als der Schauspieler Leonard Nimoy (Raumschiff Enterprise) starb, zeigte Obama gegenüber seinem Stab offene Trauer: „Ich habe Spock geliebt.“

Wie andere Präsidenten vor ihm, macht sich Obama immer wieder zum obersten Ermutiger, wenn es um das Sprengen von Grenzen im Weltraum geht. Nachdem die Schülerin „Sofy“ Alvarez-Bareiro aus Brooklyn dem Gastgeber die Vorzüge eines großen Weltraum-Teleskops erklärte, sagte Obama an die Adresse seines jungen Publikums gerichtet: „Einige von euch werden vielleicht dabei sein, wenn die erste Mars-Mission ansteht. Ihr stimmt mich hoffnungsvoll, was unsere Zukunft angeht.“ Ahmed Mohamed glänzten die Augen, als er das hörte. Man muss wissen: Er arbeitet gerade an einem „ganz neuen Generator, der überall da funktioniert, wo es keinen Strom gibt.“ Da kommt der Mars vielleicht gerade recht.