Kanzlerin Merkel gratuliert dem tunesischen nationalen Dialogquartett. Preis sei „verdienter Lohn“ für Festhalten an Demokratie.
Oslo. Jetzt ist es raus: Der diesjährige Friedensnobelpreis geht an das tunesische nationale Dialogquartett, das sich im Sommer 2013 gegründet hatte. Dies wurde heute in Oslo verkündet. Der Preis werde für die Bemühungen um eine pluralistische Demokratie in dem nordafrikanischen Land im Zuge des Arabischen Frühlings vergeben, hieß es in der Begründung für die prestigeträchtige Auszeichnung. Das Quartett habe einen alternativen friedlichen, politischen Prozess angestoßen, als Tunesien am Rand eines Bürgerkrieges stand.
Das Quartett besteht aus dem tunesischen Gewerkschaftsverband (UGTT), dem Arbeitgeberverband (UTICA), der Menschenrechtsliga (LTDH) und der Anwaltskammer. Das Nobel-Komitee äußerte seine Hoffnung, dass der Nobelpreis Tunesiens Weg zur Demokratie sichern werde. Der Preis solle aber auch „Ansporn für alle sein, die Frieden und Demokratie im Nahen Osten, Nordafrika und im Rest der Welt voranbringen wollen“.
Mit der Jasminrevolution in Tunesien 2010/2011 begann der sogenannte Arabische Frühling. Die Bewegung führte zum Sturz mehrerer arabischer Regime, konnte aber die großen Hoffnungen auf Freiheit nicht erfüllen. Als einziges arabisches Land brachte Tunesien seine Demokratisierung voran. Dazu trug die Bereitschaft der Islamistenpartei Ennahda bei, nach einem ersten Wahlsieg die Macht wieder abzugeben.
Das stark von Europa beeinflusste kleine Urlaubsland am Mittelmeer geriet damit aber ins Visier militanter Islamisten. Anfang 2014 trat eine neue Verfassung in Kraft. Zum Jahresende wurde Béji Caïd Essebsi zum Präsidenten gewählt. Der parteilose Ökonom Habib Essid ist seit Februar Regierungschef. Die massiven wirtschaftlichen und sozialen Probleme sind aber nicht gelöst. Mehr als 15 Prozent der elf Millionen Tunesier sind arbeitslos.
Hinzu kommen der inländische Terrorismus und eine militärische Bedrohung durch islamistische Milizen, die von Libyen oder Algerien aus operieren. Ende Juni wurde Tunesien von einem blutigen Attentat erschüttert. Ein Islamist tötete in einer Hotelanlage des Badeorts Sousse 38 Urlauber, bevor er selbst erschossen wurde.
Hintergrund: Tunesien nach dem Arabischen Frühling
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat dem tunesischen „Quartett für den nationalen Dialog“ zum Friedensnobelpreis gratuliert. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Freitag in Berlin, das Nobelkomitee habe eine „ausgezeichnete Entscheidung“ getroffen. Das Quartett stehe stellvertretend für das Zusammenwirken der Zivilgesellschaft, um Bürgerrechte und -freiheiten zu erkämpfen und zu sichern. Der Preis sei der „verdiente Lohn“ für das Festhalten an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Ein Volk, das die Diktatur abgeschüttelt habe, habe mehr verdient als eine neue Diktatur, sagte Seibert.
2014 hatten sich die erst 17 Jahre alte Malala Yousafzai aus Pakistan und der Inder Kailash Satyarthi den Preis für ihren Kampf für Kinderrechte geteilt. Damals hatte die Jury aus der Rekordzahl von 278 Kandidaten auswählen müssen. Dieses Jahr standen zwei Namen weniger auf der Nominierungsliste. 227 Personen und 49 Organisationen waren laut dem norwegischen Nobelkommittee für den Preis vorgeschlagen.
Die Verleihung des Friedensnobelpreises
In diesem Jahr galt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als aussichtsreiche Kandidatin. Neben Merkel war auch der in der Schweiz lebende eritreische Priester Mussie Zerai für den Preis nomoiniert. Er hilft seit Monaten Menschen, die auf dem Mittelmeer in Not geraten. Auch über einen Preis für das Flüchtlingshilfswerk UNHCR oder Papst Franziskus wurde in den vergangenen Wochen spekuliert.
Die Friedensnobelpreisträger der vergangenen Jahre
Der Friedensnobelpreis ist mit 8 Millionen schwedischen Kronen (etwa 850 000 Euro) dotiert und wird - anders als die anderen Nobelpreise - nicht in Stockholm, sondern in der norwegischen Hauptstadt Oslo bekanntgegeben. Überreicht werden alle Preise am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.
HA/dpa