Tianjin/Peking. Wilde Spekulationen nach Explosion in China. Auch Atomexperten suchen nach der Ursache. Neue Studie belegt tödliche Feinstaub-Gefahr.

Kaum sind die Toten gezählt, die letzten Überlebenden wie ein 19 Jahre alter Feuerwehrmann aus den Trümmern gezogen worden – da melden sich die Kritiker, Skeptiker und Warner: Die gewaltige Explosion im Hafen des chinesischen Tianjin südöstlich von Peking befeuert die Theorien über die Ursachen. Lagerte in dem Hafen, der größer ist als der von Hamburg, illegales Material? Waren es Sprengstoffe? Ist die Luft jetzt so mit Giftstoffen kontaminiert, dass die Bevölkerung ernsthaft gefährdet ist?

Oder wurde das Inferno von Tianjin überhaupt erst durch Feuerwehrleute ausgelöst, die einen kleineren Brand löschen sollten und eine todbringende chemische Reaktion in Brand setzten? Diese Spekulation findet sich in mehreren seriösen Quellen. Demnach könnten Feuerwehrleute einen Brand in einem Lager für Calciumcarbid mit Wasser gelöscht haben. Dies führte womöglich zur Bildung des hochexplosiven Gases Acetylen. Ein Vertreter der Feuerwehr sagte, es habe sich um ein großes Lager gehandelt. Die Feuerwehrleute hätten nicht gewusst, wo genau sich das Calciumcarbid befunden habe.

Am Freitagmorgen ist zumindest klar: Mindestens 50 Tote und mehr als 700 Verletzte hat das Unglück gefordert. Das Hafenunternehmen Tianjin Port Group hatte berichtet, „Dutzende“ Arbeiter seien nicht auffindbar. Bis Freitag waren erst 32 Vermisste gefunden, wie die Behörden berichteten. Welche gefährlichen Güter in dem Lager am späten Mittwochabend (Ortszeit) explodiert ist, konnten die Behörden noch nicht sagen. „Wir wissen nicht sicher, welche Chemikalien es waren“, sagte Gao Huaiyou vom Amt für Produktsicherheit von Tianjin vor der Presse. „Wir wissen auch nicht, welche Mengen es waren.“ Die Chemikalien seien nur vorübergehend gelagert gewesen, auch fehlten Dokumentationen. Das Lager sei komplett zerstört worden. 217 Chemiespezialisten des Militärs sind im Einsatz, wie die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Auch von Atomexperten war in unabhängigen Medien die Rede.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Wie das Staatsfernsehen berichtete, wurden Sicherheitsbestimmungen nicht eingehalten. Demnach befand sich das Warenlager, in dem sich die Explosionen ereigneten, nur 600 Meter von Wohnhäusern entfernt. Vorgeschrieben sei jedoch mindestens ein Abstand von einem Kilometer.

Unter den Toten waren mindestens 17 Feuerwehrleute, die zu einem Feuer gerufen wurden, als sich die Explosionen ereigneten. 21 Retter wurden zunächst noch vermisst. Nach dem Unglück wurden rund 3500 Obdachlose vorübergehend in zehn Schulen untergebracht. Vizepremier Liu Yandong besuchte die Opfer der Explosionen und sicherte ihnen umfassende medizinische Behandlung zu.

Unterdessen wurde bekannt, dass die Luftverschmutzung in China nach einer Studie jeden Tag 4000 Menschen das Leben kostet. 17 Prozent aller Todesfälle in China seien auf hohe Schadstoffe in der Luft zurückzuführen, fand eine am Freitag vorliegende neue Untersuchung der US-Forscher von Berkeley Earth heraus. 38 Prozent des Milliardenvolkes atme im Durchschnitt nach US-Standards „ungesunde“ Luft ein. Der gefährlichste Schadstoff sei in China der Feinstaub mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometer, der tief in die Lunge eindringen und Herzinfarkte, Schlaganfälle, Lungenkrebs und Asthma auslösen kann. Die Wissenschaftler analysierten Luftmessungen vom April bis August 2014.