Nach dem Absturz einer Turboprop-Maschine trauert Taiwan um die Opfer. Der getötete Pilot verhinderte wohl eine noch größere Katastrophe. Taucher suchen im Fluss nach Vermissten.

Taipeh. Taiwan trauert um die Opfer der Flugzeugkatastrophe in Taipeh und ehrt den bei dem Unglück getöteten Piloten: Liao Chien Tsung wurde am Donnerstag im Internet und in Medienberichten zum Helden erklärt. Der 41-Jährige habe geistesgegenwärtig eine noch größere Katastrophe verhindert, als er die Turboprop-Maschine in einen Fluss in der Hauptstadt steuerte. Die Suche nach Vermissten lief weiter auf Hochtouren.

Die Zeitung „Apple Daily“ widmete Liao ihre Titelseite und dankte dem früheren Luftwaffenpiloten dafür, dass er „Taipeh gerettet“ habe. Am Mittwoch veröffentlichte dramatischen Videos des Absturzes lassen erahnen, wie die Crew des Fluges GE235 mit höchstem Einsatz offenbar versuchte, den Schaden möglichst gering zu halten: Das viel zu niedrig fliegende Passagierflugzeug fegt über die Stadtautobahn hinweg, kippt zur Seite, streift mit der linken Tragfläche ein Taxi, dann das Brückengeländer – und stürzt mit 58 Insassen in den Keelung-Fluss.

„Der Pilot hat sich offenbar gezielt bemüht, weitere Opfer zu vermeiden, indem er in dem Fluss notwasserte“, sagte Luftfahrtexperte Daniel Tsang in Hongkong. „Es war ein sehr mutiger Schritt.“ Im Internet wurde Liao als „Held“ gefeiert. Auf Facebook schrieb eine Nutzerin, der Pilot habe es offenbar geschafft, mehrere nahe Hochhäuser zu verschonen. „Wir sind sehr stolz auf ihn. Es war sehr mutig, die Gebäude zu meiden“, sagte eine Tante des Verstorbenen zu Reportern. Präsident Ma Ying Jeou besuchte trauernde Angehörige und Familien von Verletzten.

Der Rumpf der Maschine hatte sich in das Flussbett gebohrt. Mit einem Kran konnten die Rettungskräfte sowohl die Front als auch das Heck des zweimotorigen Turboprop-Verkehrsflugzeugs vom Typ ATR-72 aus dem Wasser ziehen. Aber es liegen weiterhin Teile der Maschine im Fluss. „Das ist eine sehr schwere Rettungsmission“, sagte ein Taucher gegenüber Reportern. Das Wasser sei sehr trübe. Überall lägen noch Wrackteile auf dem Grund. Und das Wasser sei so kalt, dass die Taucher ihre Suche jeweils nach rund einer Stunde unterbrechen müssten. 32 Tote wurden bislang geborgen. Neben Pilot Liao starb auch der Co-Pilot der Maschine bei der Bruchlandung. Dutzende Angehörige warteten am Ufer und riefen verzweifelt die Namen von Vermissten.

Buddhistische Mönche begleiteten Angehörige zur Absturzstelle

An den Flussufern stemmten Rettungskräfte große Wrackteile der Maschine auf, um nach eingeschlossenen Passagieren zu suchen. Immer mehr Angehörige strömten am Donnerstag zu der Absturzstelle. Manche Angehörige waren extra aus China angereist, um von ihren Lieben Abschied zu nehmen. 31 Passagiere kamen aus China. Buddhistische Mönche begleiteten die Angehörigen für eine traditionelle Abschiedszeremonie. Dabei verbeugten sie sich in Richtung des Flusses und hielten Spruchbänder aus Papier und Stoff in die Höhe, die die Seelen der Toten zu ihren Ruhestätten leiten sollen.

Unterdessen meldeten sich Überlebende mit Berichten über ihre wundersame Rettung: Eine Familie überlebte den Absturz nach den Worten eines Angehörigen offenbar deshalb, weil sie kurz vor dem Start die Plätze getauscht hatte. So waren sie nach dem Unglück nicht weit von einem klaffenden Riss im Rumpf entfernt, durch den der Mann erst seine Frau aus dem Wrack ziehen konnte, um danach seinen leblos im Wasser treibenden kleinen Sohn zu retten und erfolgreich wiederzubeleben. Ein 72-Jähriger sagte dem Sender ETTV, er habe mehreren Passagieren dabei geholfen, ihre Sicherheitsgurte zu lösen.

Kurz vor dem Absturz hatte die Besatzung noch einen Notruf abgesetzt. „Mayday! Mayday! Engine flameout“, war in dem vom Fernsehen veröffentlichten letzten Funkspruch zu hören – was bedeutete, dass mindestens eines der Triebwerke ausgefallen sein musste. Weiteren Aufschluss soll die Auswertung der geborgenen Blackboxes bringen.

Waren Triebwerk-Probleme bekannt?

In taiwanesischen Medien wurden schwere Vorwürfe gegen die Airline erhoben. Eine Zeitung behauptete, dass sich vor dem Abflug andere Piloten über Probleme mit einem Triebwerk der Maschine beschwert hätten, Transasia das aber nicht näher verfolgt habe. „Das ist falsch“, konterte Transasia-Vizechef Wang Cheng-chung in einer Pressekonferenz. Die Fluggesellschaft habe alle nötigen Sicherheitsuntersuchungen durchführen lassen und die Unterlagen darüber an die Behörden weitergegeben.

Es war bereits der zweite Absturz einer Maschine der privaten taiwanischen Fluggesellschaft innerhalb eines halben Jahres: Ende Juli war eine Turboprop mit 58 Menschen an Bord bei einem missglückten Landemanöver inmitten eines Taifuns in zwei Häuser der Penghu-Inseln gekracht. 48 Insassen wurden getötet, fünf Menschen am Boden verletzt. Als Vorsichtsmaßnahme erteilte Taiwans Luftverkehrsbehörde (CAA) allen Flugzeugen des Typs ATR 72 ein Startverbot. Während der vergangenen 20 Jahre hatte es vier schlimme Flugzeugabstürze mit ATR 72-Maschinen von taiwanesischen Fluggesellschaften gegeben. TransAsia ist Taiwans erste private Fluglinie.