Nach Aussagen der Richterin konnte dem Sprintstar weder Mord noch Totschlag nachgewiesen werden. Sie glaubt der Version des Sprintstars. Pistorius brach wiederholt in Tränen aus.

Pretoria. Oscar Pistorius muss nicht mit einer Verurteilung wegen Mordes an seiner Freundin Reeva Steenkamp rechnen. Richterin Thokozile Masipa sagte am Donnerstag in Pretoria, die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Beweise gegen den 27-Jährigen reichten nicht für einen solchen Schuldspruch. Sie unterbrach die Urteilsverkündung bis Freitag und ließ durchblicken, dass sie Pistorius wohl wegen fahrlässiger Tötung verurteilen wird. Dieser brach wiederholt in Tränen aus.

„Fahrlässige Tötung ist ein sachgerechtes Urteil“, sagte Masipa. Bereits während ihrer stundenlangen Ausführungen am Donnerstag ließ sie erkennen, dass sie Pistorius' Version des Tathergangs Glauben schenkt. Der Olympiateilnehmer hatte stets beteuert, er habe Steenkamp für einen Einbrecher gehalten und deshalb geschossen. Die Staatsanwaltshaft warf ihm dagegen vor, die 29-jährige Steenkamp nach einem Streit vorsätzlich getötet zu haben.

Masipa sagte, Pistorius sei für seine Tat voll verantwortlich. Er habe zwischen Recht und Unrecht entscheiden können, als er Steenkamp erschoss. Das ergebe sich aus dem Bericht eines Expertengremiums, das den Sportler einen Monat lang untersucht hatte. Pistorius habe gegen das Gesetz verstoßen. Die Staatsanwaltschaft habe aber nicht nachgewiesen, dass er die Person hinter der Tür töten wollte und auch nicht, dass er wusste, wer in der Toilette war.

Die Richterin nannte die Aussagen des Angeklagten widersprüchlich. Pistorius' Erklärung, er habe ohne nachzudenken auf die Toilettentür geschossen, passe nicht mit der Tatsache zusammen, dass die Kugeln etwa in Brusthöhe rechts durch die Tür schlugen. Solche Widersprüche bedeuteten aber nicht, dass seine gesamte Aussage falsch sei. Zu welchem Urteil sie gekommen ist, behielt Masipa vorerst für sich. Ihre Ausführungen könnten sich am Freitag noch mehrere Stunden hinziehen.

Während die Richterin ihre Entscheidung gegen eine Verurteilung wegen Mordes begründete, schluchzte Pistorius und sank auf der Anklagebank zusammen. Steenkamps Eltern waren ebenso im Gerichtssaal wie Angehörige von Pistorius. Sein Vater Henke saß direkt hinter ihm.

Die Richterin bewertete auch Zeugenaussagen zu den Geräuschen in der Tatnacht als fehlerhaft. Einige hätten die Schläge des Cricketschlägers, mit dem Pistorius die verschlossene Toilettentür zertrümmerte, für Schüsse gehalten, sagte sie. Die Schreie, die danach zu hören waren, könnten nicht von Steenkamp stammen, weil diese laut Obduktionsbericht zu dem Zeitpunkt bereits bewusstlos oder tot war.

Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Theorie eines Streits zwischen Pistorius und Steenkamp auf Aussagen von Zeugen gestützt, die Schreie einer Frau gehört haben wollten. Das überzeugt Masipa nicht. Sie verwies auf ein Akustikgutachten, demzufolge keiner der Zeugen entscheiden konnte, ob die Schreie aus mehreren Hundert Metern Entfernung von einem Mann oder einer Frau stammten.

Auch diese Ausführungen Masipas schienen Pistorius sehr nahe zu gehen. Er weinte still vor sich hin. Vor Beginn der Urteilsverkündung hatte er seinen Bruder Carl umarmt, der nach einem Autounfall wegen der erlittenen Verletzungen im Rollstuhl sitzt. Auf der Anklagebank sah er geradeaus zu Masipa, die ihm erhöht gegenübersaß und ihre Urteilsbegründung von einem Pult ablas.