Vier Monate nach ersten Enthüllungen über ein heimliches Schweizer Konto gibt es neue Steuervorwürfe gegen Alice Schwarzer. Die Feministin reagiert knapp und schickt ihren Anwalt vor.

Köln. Alice Schwarzer gerät erneut in Bedrängnis. Neue Vorwürfe der Steuerhinterziehung sind in der Welt. Schon vor vier Monaten wurde die Frauenrechtlerin attackiert wegen ihrer hinterzogenen Steuern und einem jahrzehntelang nicht deklarierten Schweizer Konto. Die streitbare 71-Jährige räumte ihre Steuersünde damals ein, ging zugleich aber zum Gegenangriff über. Die Kölner Autorin beklagte Rufmord und Denunzierung.

Doch der Gegenwind blieb stark – Kritik, Beleidigungen und Häme dauerten an. Dann wurde es auffällig still um die Feministin. Sie ist kaum noch in der Öffentlichkeit aufgetreten, nimmt auf Talkshow-Sofas nicht mehr Platz. Doch seit Freitag steht sie wieder im Mittelpunkt.

Die seit Jahrzehnten um Gleichberechtigung kämpfende Schwarzer soll nach Berichten von „Focus“ und „Spiegel“ bei ihrer Selbstanzeige schwer gemogelt haben. Im Finanzamt Gummersbach bei Köln soll der Verdacht aufgekommen sein, die 71-Jährige habe zusätzlich Steuern in „sechsstelliger Höhe“ aus selbstständiger Arbeit nicht gezahlt.

Nichts davon ist bisher beweisen. Allerdings kommt von Schwarzers Seite öffentlich auch wenig, um die Vorwürfe zu entkräften. Ihr Anwalt Christian Schertz bleibt knapp und vage, bestätigt lediglich steuerliche Ermittlungen und dass es im Mai Durchsuchungen gab. Ein energisches Dementi könnte anders aussehen. Schertz schreibt: „Die heute in den Medien angestellten Mutmaßungen über die Höhe einer möglichen zusätzlichen Steuerschuld sind falsch.“ Die Frage, ob überhaupt eine zusätzliche Steuerschuld besteht und was genau geprüft wird, bleibt zunächst offen.

Die neuen Schlagzeilen sind Gift für das Renommee der öffentlichen Person Schwarzer. Die Feministin geht oft kompromisslos, angriffslustig und mit scharfer Zunge an die Arbeit. Die Kölner Autorin muss sich an ihren eigenen Maßstäben messen lassen, meinen viele. Der SPD-Bundesparteivize Ralf Stegner sagt: Gerade Schwarzer „mit ihren hochfahrenden moralischen Vorhaltungen gegen andere“ habe „auch zum Thema Steuerkriminalität die Latte für sich selbst hochgelegt“.

Schon zu Jahresbeginn hatte es viele bissige Kommentar gegeben und die Forderung, Schwarzer solle trotz ihrer Verdienst um die Emanzipation der Frau ihr Bundesverdienstkreuz zurückgegeben. Delikat – und ungünstig für die Glaubwürdigkeit – war die offengelegte Tatsache, dass Schwarzer Steuern hinterzogen hatte in einer Zeit, in der sie öffentliche Mittel für ihr feministisches Archiv FrauenMediaTurm bezog und diese mehrfach als zu gering bemängelte.

Doppelmoral wurde ihr vorgehalten. „Das bisschen, was sie nach dem ersten Vorfall vielleicht noch an Vorbildcharakter retten konnte, ist nun endgültig verloren“, meint der Wirtschaftsethiker Matthias Fifka.

Wie könnte es nun weiter gehen für die Publizistin? Falls Schwarzer in ihrer Selbstanzeige eine zusätzliche Einkunftsquelle vollständig verschwiegen haben sollte, wäre diese Anzeige jedenfalls unwirksam, erläutert der Düsseldorfer Steueranwalt Arne Lißewski. Dann wäre ein Gerichtsverfahren nicht auszuschließen. Bei einem Strafverfahren würden dem Experten zufolge alle hinterzogenen Summen auf den Tisch kommen – also auch die Summe, für die die Kölner Journalistin bereits 200.000 Euro Steuern plus Säumniszinsen nachgezahlt hat.

Spott lässt nicht lange auf sich warten. Auch Wettermoderator Jörg Kachelmann, über dessen Vergewaltigungsprozess Schwarzer einst für die „Bild“-Zeitung berichtet hatte, fragte via Twitter, welches Medium ihn demnächst für einen möglichen Prozess gegen Schwarzer engagieren wolle: „Ich habe 2010 gelernt, dass sich jeder Idiot Gerichtsberichterstatter nennen darf. Also auch ich.“