Der Vizedirektor der Oberschule, auf die die meisten der Havarie-Opfer gingen, soll seine Rettung von der „Sewol“ nicht verkraftet haben. Taucher pumpen für mögliche Überlebende Luft in das gesunkene Schiff.

Seoul/Mokpo. Zwei Tage nach der Havarie der Fähre „Sewol“ vor der Südwestküste Südkoreas haben Rettungskräfte die Suche nach den vermissten Passagieren fortgesetzt. Dabei hatten sie erneut mit starken Strömungen und Regen zu kämpfen.

Einigen der bislang 500 eingesetzten Taucher ist es dennoch erstmals gelungen, in das Schiff zu gelangen, wo die meisten der rund 270 Vermissten vermutet werden, wie der Sprecher der Küstenwache, Kim Jae In sagte. Sie begannen damit, Luft in die untergegangene „Sewol“ zu pumpen, um möglichen Überlebenden im Inneren zu helfen. Laut Kim trafen inzwischen drei Kranschiffe ein, die bei den Rettungs- und Bergungsarbeiten helfen sollen. Auch ein Schwimmdock könnte zur Unglücksstelle gebracht werden.

Vor allem Angehörigen der vermissten Insassen hoffen nach wie vor, dass Überlebende gefunden werden können. Es wird befürchtet, dass im Rumpf der mehrstöckigen Fähre ein Großteil der 475 Insassen eingeschlossen wurde.

Einige der Passagiere könnten Experten zufolge den Untergang zunächst in einer Luftblase überlebt haben. Allerdings sei es angesichts der niedrigen Wassertemperatur und des schwindenden Sauerstoffs schwierig, darin mehr als zwei Tage zu überleben.

Bislang gibt es 28 bestätigte Tote und 179 Überlebende. Weshalb die Fähre am Mittwoch unweit der Stadt Mokpo unterging, ist unklar. Aussagen von Besatzungsmitgliedern ließen vermuten, dass eine plötzliche Kursänderung vor der Insel Chindo zu der Katastrophe geführt haben könnte. Möglich ist auch, dass die Auto- und Personenfähre auf einen Felsen auflief. Überlebende hatten von einem großen Knall vor dem Sinken des Schiffes gesprochen.

Übergab der Kapitän das Schiff?

Behörden ermitteln inzwischen, ob die Anordnung eines Besatzungsmitglieds, die Fähre abrupt zu wenden, dazu beigetragen haben könnte, dass das Schiff in Schlagseite geriet. Das Besatzungsmitglied ist 26 Jahre alt, wie die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtete.

Am Freitag teilte ein Ermittlerteam aus Staatsanwaltschaft und Polizei mit, dass die „Sewol“ zum Unglückszeitpunkt nicht vom Kapitän, sondern vom Dritten Offizier gesteuert wurde. Demnach habe Kapitän Lee Jun Seok die Schiffsführung an den Offizier mit nur einem Jahr Erfahrung übergeben, bevor das Schiff zu sinken begonnen habe. Wo sich Lee zum Unglückszeitpunkt befand, war zunächst unklar.

Unter den Passagieren an Bord der Fähre befanden sich zum Zeitpunkt des Unglücks mehr als 300 Schüler, die sich auf einem Schulausflug zur Urlaubsinsel Jeju befanden.

Überlebender Lehrer soll sich erhängt haben

Familien von vermissten Insassen richteten unterdessen schwere Vorwürfe gegen die Regierung. In einer Erklärung warfen sie ihr vor, nicht genug für die Rettung von möglichen Überlebenden zu tun. „Unsere Kinder schreien im eiskalten Wasser nach Hilfe, bitte helft ihnen“, hieß es laut der nationalen Nachrichtenagentur Yonhap in einer Erklärung der Familien. Viele Angehörige befinden sich in der Nähe der Unglücksstelle auf der Insel Chindo.

Auch war Kritik an Kapitän und Besatzung der Unglücksfähre laut geworden. Überlebende erklärten, es hätten mehr Passagiere gerettet werden können, wenn das Schiff früher evakuiert worden wäre.

Unterdessen soll sich ein Lehrer der vom Unglück betroffenen Schule nach seiner Rettung von der Fähre erhängt haben. Der 52-Jährige sei an einem Baum auf der Insel Chindo in der Nähe des Orts der Schiffskatastrophe entdeckt worden, berichtete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap am Freitag. Die Polizei gehe von Suizid aus. Offensichtlich habe er Schuldgefühle gehabt, weil er gerettet wurde, während viele unter seiner Obhut mitreisende Schüler noch vermisst werden. Der Mann war stellvertretender Direktor einer Oberschule nahe Seoul. 325 seiner Schüler waren an Bord der „Sewol“.