Jahrzehnte verbreiteter Korruption nähren Skepsis. Erreichen die Hilfen nach dem Taifun auf den Philippinen auch wirklich ihr Ziel? Die Regierung verspricht zumindest volle Transparenz.

Tacloban. Mel Fernandez redet nicht um den heißen Brei herum. „Wir wollen, dass jeder Cent bei diesen armen Menschen ankommt“, sagt der leitende Mitarbeiter einer Zeitung für philippinische Gastarbeiter in Neuseeland. Das Blatt hat seine Leser zum Spenden für die Opfer von Taifun „Haiyan“ aufgerufen und dabei Organisationen wie das Rote Kreuz genannt. Aber die Liste von Regierungskonten, die der Zeitung von der philippinischen Botschaft zugeleitet worden war, wurde nicht erwähnt.

Warum? Fernandez hat das beantwortet. Die Sorge, dass Hilfsgelder nicht die Opfer erreichen, sondern für irgendwen oder irgendetwas anderes abgezweigt werden, taucht wohl nach jeder Naturkatastrophe auf. Aber auf den Philippinen ist sie besonders akut, denn hier sind Korruption und Betrug über Jahrzehnte hinweg so etwas wie ein Teil des Lebens gewesen.

Die Regierung von Präsident Benigno Aquino, der den Kampf gegen Bestechung zu einer Priorität gemacht hat, verspricht vor diesem Hintergrund volle Transparenz. Sie hat eine Webseite eingerichtet, auf der die Wege von Spenden ausländischer Geber verfolgt werden können. „Es ist eine dringliche Verpflichtung für uns, die Bewegung ausländischer Hilfsmittel zu beobachten, damit sie genau jene erreichen, die sie erreichen sollen: die Überlebenden des Taifuns“, erklärte Staatssekretär Richard Moya.

Vier MillionenMenschen haben keine Bleibe mehr

Mehr als umgerechnet 200 Millionen Euro an Hilfen aus dem Ausland sind mittlerweile für die Opfer des verheerenden Sturms vom 8. November zur Verfügung gestellt worden. Nach Regierungsangaben vom Montag kamen mindestens 3976 Menschen ums Leben, fast 1600 sind vermisst, mehr als vier Millionen haben keine Bleibe, benötigen Essen, Wasser und Unterkunft.

Wie groß die Herausforderungen sind, spiegelt sich in Äußerungen von Energieminister Jericho Petilla wider. Er versprach, dass bis zum 24. Dezember alle verwüsteten Gebiete wieder am Stromnetz sind. Um das zu erreichen, müssen ungefähr 160 riesige Fernleitungsmasten und Tausende kleinere Strommasten errichtet werden, die im Sturm umstürzten. „Es ist schwer, Weihnachten ohne Licht zu feiern“, sagt Petilla.

Die Regierung will beweisen, dass sie verantwortungsbewusster ist als es frühere Administrationen nach Naturkatastrophen waren, als Mittel für den Wiederaufbau mutmaßlich in anderen Kanälen verschwanden. So geht die Staatsanwaltschaft Vorwürfen nach, denen zufolge örtliche Beamte umgerechnet 15 Millionen Euro an Regierungsmitteln gestohlen haben, die nach einem Sturm 2009 für den Wiederaufbau von verwüsteten Städten im Norden der Insel Luzon bestimmt waren.

Antikorruptionsmaßnahmen gefordert

Noch ist es natürlich viel zu früh zu sagen, ob und was an Hilfsmitteln für die „Haiyan“-Opfer in die falschen Hände geraten sein könnte. Ausländische Geber verlangen zwar strikte Antikorruptionsmaßnahmen bei Projekten, die sie finanzieren. Aber hinter vorgehaltener Hand räumen sie ein, dass sich manchmal „undichte Stellen“ nicht vermeiden lassen.

Die meisten Hilfeleistungen kurz nach Katastrophen erfolgen in Form von Lebensmitteln, Wasser und anderen wichtigen Ausrüstungsgütern. Die weitaus besseren Gelegenheiten für Korruption und Betrug bieten sich danach, wenn der wirkliche Wiederaufbau beginnt und es um die Vergabe von Aufträgen geht.

Aber vermutlich hat Korruption die Folgen von „Haiyan“ schon verschlimmert. Geld für Straßen wurde für andere Zwecke umgeleitet, was möglicherweise jetzt Evakuierungen erschwerte. Krankenhäuser bekamen nicht die Mittel, die sie hätten bekommen sollen. Einige Häuser würden vielleicht noch stehen, wären sie vorschriftsmäßig gebaut worden.

Große Skepsis, was Spenden betrifft

„Schmalspur-Korruption in städtischen Gebieten bedeutet, dass Bauinspektionen nicht stattfanden und Bauvorschriften nicht durchgesetzt wurden“, sagt Steven Rood, Vertreter der gemeinnützigen Organisation The Asia Foundation in Manila. „Sogar Häuser der Mittelschicht sind nicht so gebaut, dass sie einem Taifun standhalten können, geschweige denn Häuser der Armen.“ Rood sieht insbesondere bei Philippinern, die im Ausland arbeiten, große Skepsis, was die Spenden betrifft. „Man kann es in den sozialen Medien sehen. Die Leute sagen, es hat keinen Zweck – wenn sie Geld geben, wird es ja doch nur gestohlen.“

Dabei schlug der Taifun just zu einer Zeit zu, als sich langsam das Gefühl auszubreiten begann, dass auf den Philippinen jetzt mehr gegen Korruption getan wird. Rood selbst sagt, dass Regierungsbehörden wie das Sozial- und Entwicklungsministerium vertrauenswürdiger als früher seien, man ihnen zutrauen könne, nach Katastrophen wie dieser die Führung beim Management zu übernehmen.

Aber einige Hilfsorganisationen treffen doch lieber ihre eigenen Vorsichtsmaßnahmen. So World Vision Neuseeland. Deren Topmanager Chris Clarke hat selbst Teile der Taifun-Gebiete besucht. Seine Organisation habe ihre eigenen Versorgungsketten, sagt er. Sie sammmele Spenden direkt und gebe sogar Mikrochips an Opfer aus, um den Umfang der ausgelieferten Hilfsmittel festzuhalten. „Diese Frage wird uns immer gestellt“, sagt Clarke. „Kommt das Geld an, kommt es bei den richtigen Leuten an?“