Die Mole im Hafen von Genua gleicht nach dem verheerenden Schiffsunglück einem Schlachtfeld. Unter den meterhohen Trümmern des eingestürzten Lotsenturms werden noch zwei Menschen vermutet.

Genua. Nach dem Horror-Unfall im Hafen von Genua mit sieben Toten werden noch zwei Hafenmitarbeiter vermisst. Nachdem das Frachtschiff „Jolly Nero“ einen Lotsenturm gerammt hat, wurde die Suche nach den beiden Männern am Donnerstag mit zahlreichen Rettungskräften und einem Mini-Roboter unter Wasser fortgesetzt, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Bei dem Unglück am späten Dienstagabend wurden vier Menschen verletzt und in ein Krankenhaus gebracht. Die Ursache für die Kollision war zunächst weiter unklar.

Die Staatsanwaltschaft hatte am Mittwoch Ermittlungen wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung aufgenommen, unter anderem gegen den Kapitän des Schiffes und einen Lotsen. Während der Kapitän nicht aussagen wollte, äußerte sich der Lotse am Donnerstag. „Plötzlich reagierte das Schiff nicht mehr auf die Kommandos, es war außer Kontrolle“, sagte er. „Wir haben versucht, es zu stoppen, aber das hat alles nichts genützt.“

Laut Staatsanwaltschaft könnte ein Motorschaden das Unglück verursacht haben, Verkehrsminister Maurizio Lupi schloss auch einen Fehler bei dem Wendemanöver oder zu hohe Geschwindigkeit nicht aus. Das 240 Meter lange Containerschiff sollte am späten Dienstagabend aus dem Hafen auslaufen, als es vom Kurs abkam und gegen den 54 Meter hohen Kontrolltower der Hafenlotsen krachte. Alle Opfer arbeiteten in dem Turm, der nach dem Zusammenstoß teilweise einstürzte. Einige von ihnen fielen ins Hafenbecken, andere wurden unter den Trümmern begraben.

Kaum noch Hoffnung für die Vermissten

Drei Leichen wurden eingeschlossen im Aufzug des Turms entdeckt. Zum Zeitpunkt des Unglücks war Schichtwechsel, weshalb etwa ein Dutzend Menschen in dem Gebäude waren. Für die beiden Vermissten gab es kaum noch Hoffnung.

In Genua läuteten am Morgen die Glocken, viele Menschen versammelten sich auf einem großen Platz in der Stadt, um ihr Mitgefühl und ihre Trauer auszudrücken. Um 11.00 Uhr schlossen die Geschäfte für eine Viertelstunde, es gab eine Schweigeminute in öffentlichen Gebäuden. Staatspräsident Napolitano sprach den Opfern sein Mitgefühl aus, Ministerpräsident Enrico Letta und Minister Lupi reisten nach Genua.

Der Unglücksfrachter der genuesischen Reederei „Messina“ wurde von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt und untersucht. „Ich habe keine logische Erklärung für das, was passiert ist“, sagte der Chef der Hafenbehörde, Luigi Merlo. Das Wetter sei gut gewesen, andere Schiffe seien nicht unterwegs gewesen. Der Schiffsverkehr in Italiens größtem Industriehafen wurde für mehrere Stunden unterbrochen.

Das Unglück weckt Erinnerungen an die Havarie der Costa Concordia, bei der im Januar 2012 vor der Insel Giglio 32 Menschen starben. „Der Fluch des Meeres“, schrieb die Tageszeitung „Corriere della Sera“ am Mittwoch. „Noch eine Tragödie“.