Da er seine Waffe nicht wie vorgeschrieben verschlossen hatte, muss sich der Vater des Amokläufers wohl vor Gericht verantworten.

Stuttgart. Mit gezielten Schüssen hat Tim K. am 11. März 15 Menschen niedergestreckt, darunter acht Schülerinnen, einen Schüler und drei Lehrerinnen. Die Angehörigen der Opfer wollen, dass dafür jemand zur Rechenschaft gezogen wird. Der 17-jährige Amokläufer brachte sich selbst um. Jetzt soll sein Vater für die Tat – zumindest ein wenig – büßen: Auf Weisung der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart wird die Staatsanwaltschaft Anklage gegen ihn erheben. Dies bestätigte am Donnerstag das Justizministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa.

Damit kommt es voraussichtlich zu einem öffentlichen Prozess vor dem Landgericht Stuttgart. Die Staatsanwaltschaft wollte es eigentlich bei einem Strafbefehl bewenden lassen. „Die Eltern sind froh, dass es zu einer Gerichtsverhandlung kommt“, sagte einer der drei Opferanwälte, Jens Rabe. „Für sie geht es nicht um Bestrafung des Vaters, sondern darum, die Hintergründe des Amoklaufs bestmöglich aufzuarbeiten.“

Die Bluttat hatte eine Diskussion über das Waffenrecht und Computerspiele ausgelöst. Das Waffenrecht wurde verschärft. Denn Tim K. beging den Amoklauf mit der Waffe und der Munition seines Vaters. Die großkalibrige Pistole lag im Kleiderschrank im elterlichen Schafzimmer und war nicht – wie vorgeschrieben – verschlossen.

Die Richter müssen nun entscheiden, inwieweit der Vater die psychische Erkrankung seines Sohnes wahrnehmen und daher vorhersehen konnte, dass Tim K. die Waffe entwendet und eine Straftat begeht. Gegen den Vater wurde wegen fahrlässiger Tötung in 15 Fällen und fahrlässiger Körperverletzung in 13 Fällen ermittelt. Er lebt mit seiner Familie an einem unbekannten Ort. Als Strafmaß für eine fahrlässige Tötung sieht das Gesetz Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor.

Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger wollte keine Details bekanntgeben: „Wir bestätigen die Dinge erst, wenn die Betroffenen davon Kenntnis bekommen“, sagte er. „Für eine Anklage spricht generell, dass wir keinen Strafbefehl beantragen, wenn manche Dinge ungeklärt sind.“

Der Vater gilt in dem Fall als Nebentäter, weil er seine Sorgfaltspflicht verletzte, indem er seine Waffe offen aufbewahrt hatte. Die Juristen unterscheiden zwischen drei Formen der Fahrlässigkeit. Für eine Strafbarkeit muss zumindest die unterste Stufe gegeben sein, also die einfache Fahrlässigkeit. Für die Strafzumessung ist wichtig: Wurde die gebotene Sorgfalt bewusst oder gar leichtfertig außer Acht gelassen?

Das Motiv des Täters ist nicht bekannt, er hatte keine Mittäter. Tim K. hatte im Internet massiv Szenen konsumiert, in denen Männer durch Frauen gedemütigt werden. Über seinen psychischen Zustand gibt es zwei unterschiedliche Gutachten: Eines wurde im Auftrag des Staatsanwaltschaft erstellt und bescheinigt Tim K. „masochistische Störungen“. Ein anderes – vom Opferanwalt Jens Rabe initiiert – sieht das Motiv vor allem in seiner „sozialen Unbeholfenheit“ und dem hohen Erwartungsdruck des Vaters.