Das neue Weltrekord-Hochhaus in Dubai ist fast fertig. Es übertrifft mit 818 Metern das bisherige um Längen. Helge Sobik war schon oben.

Keiner kann sie mieten, niemand sie kaufen. Und bloß ab und zu wird dort oben künftig jemand sein und nach dem Rechten sehen: Für die obersten acht Stockwerke des Burj Dubai noch über den teuersten Penthouse-Wohnungen der Welt wird nur der Hauselektriker den Schlüssel haben - und nur er wird den enormen Ausblick aus über 800 Meter Höhe durch die silbrigen Fenster genießen können. Lediglich eine schmale Treppe erschließt die obersten Etagen, und jedes dieser Stockwerke in der Spitze des Weltrekord-Turmes wird nur 1,20 Meter Durchmesser haben. Dort hängen Schaltkästen, dort wird die Wartungselektronik der Antenne befestigt sein. Wer aber die Etage darunter, das höchste bewohnbare Stockwerk, beziehen wird? Wie hoch der Turm werden, wie viele Etagen er haben und wann genau er eröffnet werden wird? Alles Staatsgeheimnis. Und trotzdem lichtet sich der Nebel um das spektakulärste Bauprojekt der Welt, obwohl Greg Sang derlei Details noch für sich behält - und freundlich lächelt.

Der Mann aus Neuseeland steht seit fünf Jahren unter Volldampf, hat sechs 15-Stunden-Arbeitstage pro Woche, blättert in tischplattengroßen Bauzeichnungen, zieht den Taschenrechner hervor, telefoniert gleichzeitig. Greg Sang ist der oberste Bauleiter und koordiniert 11 000 Arbeiter aus über 30 Ländern im Drei-Schicht-Betrieb. Ihr gemeinsamer Plan: den Turmbau zu Babel in den Schatten zu stellen - und alles andere auch, was seither errichtet wurde. Ihr Auftraggeber: Scheich Mohammed bin Rashid al-Maktoum, Herrscher von Dubai. Er will künftig mit dem Fahrstuhl bis in den Himmel fahren können, hat nach künstlichen Aufschütt-Palmen im Meer das Firmament als neues Ziel ausgemacht und den Titel "höchstes Gebäude der Welt" nach Dubai holen wollen. Andere nur um eine Antennenspitze oder ein paar Meter zu übertrumpfen, reichte ihm nicht.

Vielmehr stellte er seine Ingenieure vor völlig neue Herausforderungen: mindestens 200 Meter höher als jedes andere Gebäude sollte das neue Wahrzeichen seines Emirats am Persischen Golf werden - koste es, was es wolle. Bis jetzt dürften es mehr als anderthalb Milliarden Euro sein, die in dieses Gebäude geflossen sind.

Architekt Adrian Smith zeichnete ihm einen eleganten silbernen Turm mit y-förmigem Fundament, der nach oben hin immer schlanker wird - und der auf dem Weg zum Himmel in unterschiedlichen Höhen immer wieder Terrassen hat. Mal nach 40, mal nach 40 Stockwerken. Allein das macht die Silhouette des Turms ebenso reizvoll wie unverwechselbar.

Greg Sang unterdessen musste sich zusammen mit seinen Leuten Tricks einfallen lassen, wie man Beton 585 Meter senkrecht in die Höhe pumpt, ohne dass er auf seinem 30 bis 40 Minuten langen Weg nach oben bereits erstarrt. Mit chemischen Zusätzen, besonders viel Druck und nach etlichen Versuchen haben sie es hinbekommen. Erfahrungswerte gab es dafür nicht. Denn nie zuvor gab es das Erfordernis, Beton so hoch pumpen zu müssen. Und trotzdem mussten sie sich für die Stockwerke darüber wieder etwas ausdenken, denn bei knapp 600 Metern waren alle Möglichkeiten ausgereizt. Und so entstehen die obersten Stockwerke aus Stahlbeton-Fertigelementen, die oben nur noch miteinander verbunden werden müssen.

Auf mehreren der Außenterrassen sind noch jetzt Kräne montiert, die die größten Lasten nach oben hieven. In den Phasen größter Bautätigkeit wuchsen diese und weitere Kräne sozusagen mit, waren Teil des Baukörpers und fest im Gebäude verankert, ehe sie nach und nach demontiert wurden. "Mit Kränen, die neben dem Gebäude stehen", erklärt Sang, "kann man bei Wolkenkratzern nicht arbeiten" - eine zu wackelige Angelegenheit.

Seit 2004 bauen sie an dem Gebäude, haben erst das Fundament des Mega-Turms auf 200 Betonpfählen von jeweils anderthalb Meter Durchmesser 50 Meter in die Tiefe gegründet, dann die Grube für eine gewaltige Tiefgarage mit 3000 Stellplätzen errichtet und das Gebäude seither um mehr als ein Stockwerk pro Woche wachsen lassen. Die endgültige Höhe ist seit einigen Monaten erreicht, und während außen noch vorgefertigte Fassadenelemente montiert werden, gleicht das Innere einem Ameisenhaufen. Heerscharen von Arbeitern kümmern sich um den Innenausbau, montieren Badewannen mit Verblendungen aus poliertem Sandstein. Oder kleben blauen Pappkarton zum vorläufigen Schutz auf bereits geflieste Marmorböden, bündeln Kabel zu Strängen und lassen sie hinter Verschalungen verschwinden. Anfang Dezember soll der Riese eingeweiht werden - und dann sollen endlich Zahlen genannt werden. Der Herrscher Dubais selbst wird sie preisgeben.

Kolportiert wird der 2. Dezember, Nationalfeiertag der Emirate, als noch inoffizielles und vom Baukonzern Emaar unkommentiertes Eröffnungsdatum. Auch andere Zahlen machen bereits die Runde: Demnach misst der Turm 818 Meter, während es der bisherige Weltrekordinhaber Taipeh 101 "nur" auf 508 Meter, das Empire State Building in New York sogar lediglich auf 448,7 Meter bis in die Antennenspitze bringt. Gut 200 Stockwerke sollen es im Burj Dubai alles in allem sein. Im 122. und 123. Stock wird es ein Restaurant, im 124. Stock eine öffentlich zugängliche Aussichtsplattform auf gut 450 Meter Höhe geben. Noch fehlt dort das Geländer, und stattdessen sind ein paar Seile gespannt und Hinweistafeln aufgehängt: "Stop! Nicht hinauslehnen! Schritt zurück machen!" Und jenen Schritt zurück rattern Betonmischer, liegen Fußbodenplatten und warten darauf, verlegt zu werden.

Allein die Fahrstuhlfahrt dort hinauf ist ein Erlebnis: Es knackt in den Ohren, schwankt ein bisschen, und auch der Magen spürt die Katapultfahrt. 18 Meter pro Sekunde legt der Hochgeschwindigkeits-Fahrstuhl zurück - das entspricht gut fünf Stockwerken. Und was das Schwanken angeht, hat Greg Sang die Erklärung parat: "Sie brauchen immer Spiel, denn nie passt alles ganz exakt. Und je höher sie bauen, desto mehr Spiel, desto mehr Freiraum müssen sie einkalkulieren." Wie viel Platz in den Fahrstuhlschächten zwischen Kabine und Wand genau ist? Jetzt lächelt er wieder schweigend. Und seine Augen scheinen "Staatsgeheimnis" zu sagen.

Ein paar andere Zahlen aber mag er dann doch preisgeben: dass es in dem Tower insgesamt 57 Fahrstühle geben und Bewohner der oberen Etagen auf dem Weg dorthin bis zu zweimal von Express-Aufzügen in langsamere umsteigen müssen, die dann anders als die rasanteren jedes Stockwerk bedienen. Die Nonstop-Fahrt in den 124. Stock wird ausschließlich für die Besucher der Aussichtsplattform und der beiden unmittelbar darunter liegenden Restaurant-Etagen sein. Und dass es 11 300 Stufen sind, die vom Erdgeschoss bis in die Spitze führen, verrät Greg Sang auch noch. Er war schon ein paar Mal oben - aber immer hat er den Arbeits-Aufzug genommen, ist nie zu Fuß gegangen.

Zuvor hat Sang an Hochhausprojekten in Hongkong gearbeitet, dazu für dieses Projekt Mitarbeiter verpflichtet, die schon beim Bau der Petronas Twin Towers (450 Meter) in Kuala Lumpur Erfahrungen gesammelt haben. "Eigentlich haben Sie bei 400 Metern dieselben Probleme mit Bodenbewegung, Hitze und Wind zu lösen wie bereits bei 300, später bei 500 oder noch mehr Metern", erzählt der Neuseeländer, "hier ist die Konstruktion so ausgelegt, dass der Turm bei Sturm in der Spitze bis zu 1,40 Meter aus dem Lot geraten und sich hin und herbewegen kann, ohne dass die Menschen drinnen diese Bewegung spüren." Wie die Ingenieure dieses Problem genau gelöst haben? Dazu schweigt Sang: wieder eines der vielen Staatsgeheimnisse rund um Burj Dubai.

Wenn der Wolkenkratzer fertig ist, werden unter anderem 330 000 Kubikmeter Beton und 142 000 Quadratmeter Glas verbaut und 22 Millionen Arbeitsstunden aufgebracht worden sein. Einen Hauptmieter für den Mega-Tower gibt es auch bereits: Der Mann kommt aus Mailand - und heißt Giorgio Armani. In etlichen der unteren 39 Stockwerke wird er voraussichtlich zum Jahresende sein erstes Hotel eröffnen können - außergewöhnlich luxuriös, gleichzeitig sehr dezent im Look, durchgestylt vom Chef persönlich. Auch die Eigentumswohnungen der dort ebenfalls untergebrachten "Armani Residences" tragen die gestalterische Handschrift des weltbekannten italienischen Edel-Schneiders. "Giorgio Armani kümmert sich um jedes Detail, ist oft hier", erzählt Sang: "Und das ist auch gut zu verstehen. Denn schließlich wird es sein Name sein, der bald über dem Eingangsportal steht."

Ob Sang selber jeden Morgen so was wie "Wow" sagt, wenn er mit dem Auto durch den Sand der noch nicht asphaltierten Auffahrt zur Tiefgarage und zu Fuß weiter in sein Büro im Burj Dubai gelangt? "Es ist meistens nicht das Erste, was ich sage." Er lacht wieder. "Aber es stimmt: Ich bin stolz, bei so einer Sache mitzumachen!"

Ein Apartment im silbernen Riesen am künstlichen Burj-Dubai-See hat er jedenfalls nicht erstanden: Alle 700 Wohnungen waren in den ersten acht Stunden nach Verkaufsstart vergeben. Sang wohnt und schläft lieber mit Bodenhaftung: in einem Einfamilienhaus ein paar Straßen abseits vom Rummel, im Erdgeschoss. "Ich brauche das, um die Sinne klarzuhalten, fühle mich auf ebener Erde am wohlsten. Ich konnte schließlich nicht ahnen, eines Tages der Wolkenkratzermann, der Super-Highrise-Guy zu sein. Aber nun geht es höher und höher." Sein Lieblingsplatz? "Zu Hause ist es das Sofa im Wohnzimmer. Hier auf der Baustelle wechselt er täglich."

Von Helge Sobik erscheint am 15. September der Bildband "The Dubai Story".