Kapitän verließ Schiff nach einem Streit. Offenbar hat er sich geweigert, unter der Flagge von Malta zu fahren. Schwere Vorwürfe von Ver.di an die Reederei.

London/Hamburg. Auf der MS "Deutschland" läuft derzeit vieles aus dem Ruder und sorgt für einen Eklat bei den Olympischen Spielen. Der Kapitän wurde des Schiffes verwiesen, Mitarbeiter sollen bestochen worden sein. Hintergrund des Zoffs an Bord: Das Traumschiff der norddeutschen Traditionsreederei Peter Deilmann soll künftig unter der maltesischen Flagge in See stechen. Dagegen sollen sich Kapitän Andreas Jungblut und die Besatzung immens wehren. Schließlich sei die MS "Deutschland" das letzte Kreuzfahrtschiff, das noch unter deutscher Flagge fährt.

Der Protest dürfte pünktlich zu Olympia in London gewaltig Gehör finden. Denn der als "Traumschiff" bekannt gewordenen Luxusliner ist das offizielle "deutsche Schiff London 2012". Drei Tage nach der Abschlussfeier im Londoner Olympiastadion sollen die Athleten am 15. August mit der MS "Deutschland" in den Hamburger Hafen einlaufen und dort von den Fans in der HafenCity begrüßt werden (siehe Karte unten).

+++ Proteste gegen Ausflaggung des Traumschiffs +++

+++ Großer Empfang für Olympiateam am 15. August in Hamburg +++

Ein "Unruhestifter" wie Jungblut kommt da wohl ungelegen. "Die ganze Geschichte wird überinterpretiert", sagt Kornelia Kneissl, Sprecherin der Eignerin, der Aurelius Gruppe in München, die 2010 die insolvente norddeutsche Reederei übernommen hatte. Auf die Frage, ob Andreas Jungblut des Schiffes verwiesen wurde, sagte Kneissl: "Er ist im Urlaub und hat keinen Grund, auf dem Schiff zu sein. Er hat die Frage, warum er nicht seinen Urlaub genieße, als unfreundlichen Rauswurf aufgefasst."

Doch Jungblut wollte seiner besorgten Mannschaft von 253 Mitarbeitern beistehen, so Karl-Heinz Biesold, Bundesfachgruppenleiter Schifffahrt bei Ver.di, der nach dem Vorfall mit Jungblut gesprochen hat: "Der Kapitän wollte ein Zeichen setzen." Doch bei den Chefs der Aurelius Gruppe kam dies nicht gut an. "Der Geschäftsführer Andreas Demel hat ihn dann des Schiffes verwiesen", so der Gewerkschafter, der dies als "Frechheit" bezeichnet und befürchtet, dass Andreas Jungblut jetzt bald die Kündigung bekommt.

Als besonders "dreist" bezeichnet Biesold auch, dass die Eigner des Schiffes versucht haben sollen, die Mitarbeiter zu bestechen. "Einigen wurden 4000 Euro angeboten, wenn sie sich nicht an uns wenden", sagt der Ver.di-Gewerkschafter. "Wir haben im Dezember vergangenen Jahres erstmals von den Plänen der Ausflaggung erfahren und stehen seitdem in Verhandlungen mit dem Unternehmen." Denn sobald das Schiff nicht mehr unter deutscher Flagge fährt, muss sich die Reederei nicht mehr an die Tarifverträge halten. "Das Unternehmen schlägt sogar zwei Fliegen mit einer Klappe", so Biesold: "Der Arbeitgeber muss geringere Gehälter zahlen und spart zudem die Sozialleistungen."

Derzeit bekommt der Kapitän der MS "Deutschland" monatlich etwa 6700 Euro brutto. Mit einem internationalen Tarifvertrag würde er nur noch 5000 US-Dollar, also umgerechnet 4050 Euro bekommen. Ein Seemann auf dem Traumschiff verdient rund 4000 Euro brutto. Nach der Ausflaggung käme er nur noch auf 1600 Euro. "Damit nicht genug", so Biesold. Denn der Arbeitgeber spart sich auch das Geld für Krankenkassen- oder Rentenbeiträge. "Also müssen sich die Mitarbeiter selbst versichern."

Das möchte Ver.di verhindern und hat der Reederei Verträge angeboten, in denen für die Mitarbeiter die gleichen Bedingungen wie zuvor gelten. Doch die Reederei hat bis heute nicht unterzeichnet. "Das Ausflaggen werden wir wohl nicht verhindern können, doch wir werden für die Mitarbeiter kämpfen.

+++ Besatzungen: Weniger Lohn unter Billigflagge +++

Eigentlich sollte die MS "Deutschland" schon diesen Monat ausgeflaggt werden. Doch die Reederei entschied sich, die Spiele in London abzuwarten. Ferner soll die Deutschland-Flagge an diesem Wochenende wehen, wenn Bundespräsident Joachim Gauck zum Olympia-Empfang auf das Schiff kommt. "Wir haben auch einen Brief an den Bundespräsidenten geschickt, der bei seinem Besuch mit den Mitarbeiter sprechen möchte."

Mit der Ausflaggung, wie es im Schifffahrtsjargon heißt, möchte die Reederei aber nicht nur Geld für die Löhne sparen. Unter der Flagge von sogenannten Billigflaggenstaaten zahlen die Schiffseigner weniger Registergebühren. Auch die Sicherheits- und Besetzungsstandards einiger Billigflaggenstaaten sind einfacher und damit kostengünstiger einzuhalten.

So fahren beispielsweise derzeit nur 440 der etwa 4100 deutschen Seeschiffe unter deutscher Flagge. Ein großer Teil der Welthandelsflotte ist in Ländern wie Panama, Liberia, den Marschallinseln oder den Bahamas registriert.

Auf der interaktiven Karte können Sie die Route der Sportler auf der "MS Deutschland" und den weiteren Ablauf im Hamburger Hafen verfolgen.