Mediziner der berüchtigten Siedlung Colonia Dignidad in Chile, die durch unmenschliches Verhalten auffiel, ist offenbar nach Krefeld geflüchtet.

Berlin. Er war einer der wichtigsten Männer in einer der berüchtigtsten Siedlungen der Welt: Hartmut Hopp, ein 66-jähriger Arzt, einst Führungsmitglied von Colonia Dignidad, die durch unmenschliches Verhalten Schlagzeigen machte. Jetzt möchte Hartmut Hopp Krefelder werden.

Unter der Pinochet-Diktatur war die Colonia Dignidad Operationsbasis des Geheimdienstes Dirección Nacional de Inteligencia. Hier lebten Waffenhändler, Nazi-Sympathisanten, Kinderschänder und Mörder, hier wurden Regimegegner zu Tode gequält. Nach dem Ende der Diktatur versuchten die neuen Machthaber die Kolonie zu kontrollieren, was erst gelang, als der Gründer Paul Schäfer 2005 festgenommen werden konnte. Schäfer war von einem Gericht des sexuellen Missbrauchs von 27 Kindern schuldig gesprochen und zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Weitere Mitglieder der Sekte wurden wegen Beihilfe zu fünf Jahren Haft verurteilt. Darunter auch Hartmut Hopp. Gegen ihn lag ein Ausreiseverbot vor.

Im Mai, als zwei Mitglieder der freikirchlichen Enklave wegen Mordverdachts festgenommen wurden, hieß es noch, Hartmut Hopp sei am 15. Mai aus der Kolonie, die nun "Villa Baviera" heißt, geflohen. Die Berliner "tageszeitung" zitiert aus einer Mail, die Hopp an einen Ex-Kollegen geschickt haben soll: "Gegenwärtig befinde ich mich in Deutschland, wo ich im Laufe des gestrigen Tages angekommen bin, nach mehr als einer einwöchigen Reise über Argentinien und Paraguay, nachdem ich zuvor Chile auf dem Landweg verlassen hatte." Und weiter: "Es hat mich viel gekostet, diese Entscheidung zu treffen, dennoch sehe ich keine Alternative." Das Urteil über seine Komplizenschaft habe ihn wie eine Todesstrafe getroffen.

Vergangene Woche nun meldete eine Zeitung in Santiago: Hartmut Hopp ist tatsächlich in Deutschland - genauer gesagt in Krefeld. Chiles Polizei habe einen Hinweis bekommen, dass Hopp bei einer Krefelder Kirche untertaucht sei.

Der Niederrhein ist keine überraschende Wahl: Zur Führung der Kolonie gehörte auch Albert Schreiber, der aus Chile floh und bis zu seinem Tod in Krefeld lebte. Hier wohnt auch Hopps Adoptivsohn Michael, der als Geigenlehrer an einer Musikschule arbeitet. Er hat mittlerweile eine eigene Familie gegründet und sich laut Medien von seinem Adoptivvater distanziert.

Zudem ist Krefeld Sitz der "Freien Volksmission Krefeld", 1964 nach dem Vorbild von US-Freikirchen gegründet und gemeinnützig anerkannt. Das überkonfessionelle Missionswerk will zur Lehre und Praxis der Apostelzeit zurückkehren. Kurz vor seinem Tode feierte Alfred Schreiber manchmal Gottesdienst mit der Gemeinde.

So vermuteten die Medien auch Hartmut Hopp hier. Aber die Gemeinde widerspricht dem Verdacht: "Hartmut Hopp ist kein Mitglied bei uns und ist auch nie hier gewesen", sagt Elisabeth Fleck von der Volksmission. Ja, durch Zufall habe es seit 2004 Kontakt zu Ex-Mitgliedern von Colonia Dignidad gegeben. Damals sei über Gemeindemitglieder ein Ehepaar zu einem Gottesdienst gekommen, und in der Folge habe es immer mal wieder Besuche von Ex-Kolonisten gegeben, so an die 14 Personen vielleicht. Das bedeute aber nicht, dass man sich der Kolonie in irgendeiner Form verpflichtet oder verwandt fühle.

Laut "Rheinischer Post" soll Hopp bereits seit Längerem im Krefelder Ortsteil Willich leben und dort auch Sozialhilfe beziehen. Die Stadt wollte sich aus Datenschutzgründen nicht dazu äußern. Solange aber gegen einen Menschen nichts vorliege und er bedürftig sei, würde sich die Stadt natürlich seiner annehmen. Liegt denn nichts gegen Hartmut Hopp vor? "Nein", sagt Oberstaatsanwalt Klaus Schreiber, "Ich weiß nichts von einem Haftbefehl." Als deutscher Staatsbürger könne Hopp eine mögliche Strafe auch in Deutschland verbüßen, dazu müsse es aber aktuelle Vorwürfe geben. Ein Verfahren in Bonn wegen sexuellen Missbrauchs sei eingestellt, da der Fall verjährt sei.

Hopps neuer Vermieter, Thomas Siegert von der Wohnstätte Krefeld, ist von der Geschichte überrascht worden. "Am Montag hat Hopp den Schlüssel bekommen, am Dienstag lese ich dann die Berichte in der Zeitung." Hätte er vorher Bescheid gewusst, wäre er das Mietverhältnis wohl nicht eingegangen. Heute will Siegert ein Gespräch mit Hopp führen, ob er bereit sei, den Mietvertrag aufzulösen. Solange nichts gegen Hopp vorliegt, wird Siegert auf dessen Einsicht hoffen müssen.