Nach der Festnahme von Paul Schäfer, dem Chef der berüchtigten Deutschen-Siedlung “Colonia Dignidad“ in Chile, prüft die Bonner Staatsanwaltschaft einen Auslieferungsantrag.

Buenos Aires/Berlin. "Warum", war das einzige Wort, das der 83jährige hervorbrachte, als er in einer luxuriösen Wohnanlage 40 Kilometer von Buenos Aires (Argentinien) entfernt überrascht worden war. Er saß im Rollstuhl und stand offensichtlich unter Medikamenteneinfluß, als er in die Kameras lächelte. Schäfer verweigert jede Aussage. Am Freitag wurde ihm ein Pflichtverteidiger gestellt. Ihm werden Kindesmißbrauch und die Beteiligung an Verbrechen der Diktatur von Augusto Pinochet vorgeworfen.

In Berlin sprach Bundesaußenminister Fischer von einer "guten Nachricht". Vor mehr als 40 Jahren hatte sich Schäfer aus Deutschland abgesetzt, nachdem hier Ermittlungen ebenfalls wegen Kindesmißbrauchs gegen ihn liefen. Mit deutschen Einwanderern gründete er 1961 südlich von Santiago die Enklave, hinter deren stromführenden Stacheldrahtzäunen er eine diktatorisch geführte Lebens- und Arbeitsgemeinschaft aufbaute. In der von nationalsozialistischen Gedanken und Sekteneinflüssen geprägten Zwangswelt wurden Geschlechter streng getrennt. Pausenlos wurden Sauberkeit und Fleiß gepredigt und die Mitglieder zu zwölf Stunden Arbeit am Tag gezwungen. Immer wieder berichteten Flüchtlinge, daß sich Schäfer an Minderjährigen vergangen habe. In den ersten Jahren der Pinochet-Diktatur um 1973 soll die Geheimpolizei Dina in dem Camp gefoltert und gemordet haben. Amnesty International geht von 119 Opfern aus. Medienberichten zufolge hatte sich Schäfer Ende 2004 in einem Krankenhaus in Buenos Aires einen Bypass legen lassen. Wie der argentinische Interpol-Kommissar Alejandro Dimizo mitteilte, wurde Schäfer in die Krankenabteilung des Hochsicherheitsgefängnisses in Marcos Paz bei Buenos Aires gebracht.

Der letzte Aufenthaltsort des Gesuchten wurde laut Interpol mit Hilfe von Hinweisen chilenischer Rechtsanwälte und Journalisten des Fernsehmagazins "Contacto" ermittelt. Gegen Schäfer lagen internationale Haftbefehle aus Deutschland und Chile vor. Mit ihm seien seine Adoptivtochter Rebeca del Carmen sowie ein enger Mitarbeiter, eine Krankenschwester und ein Leibwächter abgeführt worden.

1998 soll Schäfer sich aus Chile abgesetzt haben. Mehrere Durchsuchungsaktionen in der in "Villa Baviera" umbenannten landwirtschaftlichen Siedlung blieben erfolglos. Inzwischen hat sich die Siedlung geöffnet und wirbt sogar um Touristen. Sprecher der Siedler äußerten sich erleichtert über die Festnahme.