Mehr als 18 Stunden mussten 20 Fahrgäste in einer Kabine der Tegelbergbahn ausharren, ehe sie aus der Höhe gerettet wurden. Die Gondel stand still, weil sich ein Gleitschirm im Tragseil der Bahn verhedderte. Gegen den Piloten, der einen Kameramann des Bayerischen Rundfunks flog, wird ermittelt.

Schwangau. Es ist der Alptraum vieler Bergtouristen: In eine Seilbahn einzusteigen und dann stehenbleiben. Ein solches Horrorszenario ereilte am Wochenende 50 Fahrgäste der Tegelbergbahn im bayerischen Schwangau. Erst nach mehr als 18 Stunden konnten 20 Menschen aus einer festsitzenden Gondel befreit werden. Mit Hubschraubern wurden sie am frühen Sonnabendmorgen einzeln aus 100 Meter Höhe in Sicherheit gebracht. Ein Gleitschirmflieger hatte sich am Freitag aus noch ungeklärter Ursache am Tegelberg in den Seilen der Bergbahn verfangen und sie lahmgelegt.

Der Unglücks-Gleitschirmflug in der Nähe von Schloss Neuschwanstein stand im Zusammenhang mit Fernsehaufnahmen. Der Gleitschirmpilot war im Tandemflug mit einem Reporter des Bayerischen Fernsehens unterwegs, wie eine Sprecherin der Bayerischen Rundfunks (BR) am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur sagte. Es sei um Aufnahmen für eine Urlaubsserie gegangen. Eigentlich habe im Anschluss eine Kamerafrau in einem zweiten Tandemflug starten sollen, dazu kam es dann wegen des Unfalls aber nicht mehr.

Die 19 Touristen in der Gondel, darunter fünf Kinder im Alter von vier bis zwölf Jahren, und der Gondelführer hatten zunächst noch am Freitagabend per Hubschrauber gerettet werden sollen. Die Aktion musste wegen zu starken Windes aber abgebrochen werden. Die 20 Insassen mussten die Nacht in der nur rund zwölf Quadratmeter großen Kabine verbringen. Als Nottoilette dient eine kleine Luke im Gondelboden. Mit einem Seilfahrgerät brachte ein Bergretter Lebensmittel, Decken und Spielsachen zu der Gondel.

Zu einer Panik kam es nicht. Die Polizei führt dies unter anderem auf das "besonnene Verhalten des Gondelführers“ zurück. Zudem habe zu den Festsitzenden die ganze Zeit über Funkkontakt bestanden. Nach Einbruch der Dunkelheit leuchteten die Rettungskräfte den Berg mit Flutlicht aus. Zahllose Schaulustige verfolgten das Berg-Drama vom Tal aus.

Im Morgengrauen begannen die Helfer am Sonnabend mit der Bergung. Das gute Flugwetter mit nur wenig Wind habe den "komplexen Einsatz“ am Steilhang erleichtert, sagte der Sprecher der Bergwacht Allgäu, Roland Ampenberger. Wenige Stunden zuvor hatte es am Tegelberg, der bei Gleitschirmfliegern sehr beliebt ist, noch stark geregnet.

Maximilian Kolbeck, bei der spektakulären Rettungsaktion einer der Hubschrauberpiloten, war nach Ende der Bergung froh, dass alles glatt lief. "Man ist in solchen Situationen immer unter mentalem Druck, dass man keine Fehler macht“, sagte der 56-Jährige, der seit 33 Jahren Einsatzpilot bei der Hubschrauberstaffel Bayern ist.

In Präzisionsarbeit positionierten sich die zwei Hubschrauber abwechselnd über der Gondel. Durch die Dachluke wurden die zuvor gut gesicherten Insassen dann nach und nach befreit und einzeln mit einer Winde zusammen mit einem Luftretter in den Hubschrauber hochgezogen. Die Aktion dauerte rund zwei Stunden. "Es lief alles glatt“, sagte Bergwacht-Sprecher Ampenberger danach erleichtert.

Die Geretteten wurden in einem Zelt medizinisch betreut und mit Essen, Getränken und Decken versorgt. Alle seien den Umständen entsprechend wohlauf, sagte Ampenberger. Der älteste Eingeschlossene war 75 Jahre alt. Vor den Medien wurden die Befreiten abgeschirmt. Die Touristen stammen nach Angaben der Polizei aus Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.

Der 54 Jahre alte Gleitschirmpilot aus der Schweiz und sein 35 Jahre alter Fluggast kamen mit leichten Verletzungen davon. Sie waren am Freitag ebenfalls mit einem Hubschrauber geborgen worden. Gegen den Piloten wird nach Polizeiangaben wegen fahrlässiger Körperverletzung sowie eines gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr ermittelt. Die Polizei betonte aber, dass sie in allen Richtungen ermittele – neben einem Flugfehler komme auch eine Windböe als Unfallursache infrage. Der Pilot muss möglicherweise mit Schadenersatzforderungen rechnen.

Aus einer zweiten festsitzenden Gondel konnten noch am Freitag 30 Insassen aus 70 Meter Höhe abgeseilt werden. Dies war nur möglich, weil diese Gondel über flacherem Gelände und nicht am Steilhang festsaß. Mit Hubschraubern waren am Freitag auch 132 Besucher der Bergstation ins Tal gebracht worden, die keine Rückfahrmöglichkeit mehr hatten.

Nach Einschätzung des Geschäftsführers der Bergbahn, Franz Bucher, wird die Reparatur mehrere Tage dauern. Ein Spezialist des Herstellers aus Italien sei angefordert worden, um das Stoffknäuel zu entfernen. Sollten die Seile beschädigt sein, könne die Bahn auch bis zu einem Monat ausfallen.

Zu dem spektakulären Rettungseinsatz rückten rund 250 Helfer der Bergwacht, des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK), des Technischen Hilfswerks (THW), der Bundeswehr, der Feuerwehr und der Polizei aus. Auch zwei Notärzte hielten sich bereit. Einer von ihnen hielt sich die ganze Nacht auf einem Stützpfeiler der Bergbahn auf, um sich im Notfall möglichst schnell zur Gondel vorarbeiten zu können.