Trotz internationaler Anstrengungen wächst die Bedrohung durch somalische Piraten. Seit Jahresanfang wurden 154 Angriffe gezählt.

Hamburg. Die Bedrohung durch somalische Piraten nimmt zu. Seit Jahresanfang zählte das Internationale Maritime Büro (IMB) 154 Angriffe auf der wichtigen Schifffahrtsroute vor Somalias Küste. Dagegen wurden im gesamten Jahr 2010 lediglich 219 Angriffe registriert. Derzeit gelten 21 Schiffe aller Nationalitäten mit mehr als 400 Crewmitgliedern nach einer Entführung als vermisst, sagte Capitain Pottengal Mukundan, Direktor des IMB, am Mittwoch in Hamburg bei einer Pressekonferenz zur Eröffnung der Schiffs-Sicherheitsmesse MS&D.

Trotz vermehrter internationaler Anstrengungen sei die Bedrohung nicht weniger geworden. Die indische Marine habe im Februar und März einen Großeinsatz gegen die Piraten gefahren: "Zwei Schiffe der Piraten wurden versenkt“, sagte Mukundan. Dabei seien jedoch auch bis zu 15 Geiseln auf den Schiffen getötet worden, räumte er ein. Nach dem Einsatz sei die Zahl der Überfälle in der Einsatz-Region gesunken. "Das kann aber auch Zufall sein, wir können es nicht sicher sagen“, betonte der Experte. Trotzdem plädierte er für ein weiterhin hartes Vorgehen gegen die gewaltsamen Angriffe auf See. Zudem müsse noch stärker als bisher der Weg des Lösegeldes verfolgt werden, um zu überprüfen, in welche Kanäle es fließe.

"Die Piraten zerstören nicht nur die Schiffe, wir haben Hinweise, dass Teile der Besatzung regelrecht von ihnen gefoltert wurden“, sagte Mukundan. So seien Crewmitglieder nackt in Kühlräume gesperrt worden. Da die Piraten ihre Ausrüstung ständig verbesserten, seien selbst die Sicherheitsräume auf den Schiffen nicht mehr sicher. "Sie lernen sehr schnell hinzu“, sagte er. "Das Problem kann nur an Land gelöst werden“, unterstrich Vizeadmiral Axel Schimpf. Die Marine sende bereits "starke Signale„ an die Piraten, betonte der Inspekteur der Deutschen Marine .

"Das Risiko für deutsche Schiffe wird für die absehbare Zukunft als hoch eingeschätzt“, sagte Kerstin Petretto vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg in einem dpa-Gespräch. Nach aktuellen Studien entstehe durch die Piraterie jährlich ein wirtschaftlicher Schaden von 7 bis 12 Milliarden Euro. Vor Somalias Küste seien die Piraten besonders aktiv, da hier die wichtige Schifffahrtsroute durch den Indischen Ozean, den Golf von Aden hoch zum Suezkanal verläuft. 2010 seien 1700 deutsche Schiffe durch das besonders gefährdete Gebiet vor Somalia Küste gefahren, 45 von ihnen seien angegriffen worden.

Das aggressive Vorgehen der somalischen Piraten bedrohe die Handelsschifffahrt in besonderem Maße: "Die somalischen Piraten haben ein richtiges Geschäftsmodell entwickelt: Komplette Schiffe samt Mannschaften entführen und Lösegeld erpressen“, sagte Petretto, die an einer Studie über die Herausforderungen für die deutsche Seehandelsflotte durch Piraterie und maritimen Terrorismus arbeitet. "Selbst sehr große Tanker werden inzwischen angegriffen.“

Die Piraten richten dabei nicht nur für die betroffenen Reeder durch den Ausfall der Schiffe, den teilweisen oder kompletten Verlust der Ladung und das Lösegeld beträchtlichen wirtschaftlichen Schaden an. Nach Angaben von Petretto sind auch die negativen Effekte für die Anrainerstaaten deutlich zu spüren, da das Vertrauen und damit die Investitionsbereitschaft in der Region sinke. All diese Faktoren fließen in den berechneten Schaden von bis zu 12 Milliarden Euro jährlich ein.

Bis die Hilfe für Somalia an Land greife, müssten Handelsschiffe gut geschützt werden. "Am besten durch staatliche Schiffe – das löst zwar das Problem nicht, senkt aber die Bedrohung für Crews und Reeder.“ Statt Gerichtsverhandlungen im fernen Europa plädiert die Wissenschaftlerin für Verfahren vor Ort: "Die abschreckende Wirkung wäre deutlich größer.“ (dpa)