In Erfurt beginnt heute der Prozess gegen den Herstellungsleiter Marco K., der beim TV-Sender 8,2 Millionen Euro veruntreut haben soll.

Hamburg. Der Mann ist verantwortlich für den größten Betrugsskandal in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Deutschland. Zwischen 2002 und 2010 soll der ehemalige Herstellungsleiter des Ki.Ka, Marco K., 8,2 Millionen Euro unterschlagen haben. Bisher hat der 43-Jährige, der seit Dezember in Untersuchungshaft sitzt, eisern geschwiegen. Nun wird er sich wohl äußern: Von heute an muss sich K. vor dem Landgericht Erfurt wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und der Untreue in besonders schweren Fällen verantworten.

Das Gericht wird sich dabei nur mit Fällen beschäftigen, die sich nach dem 1. Dezember 2005 ereigneten. Dabei geht es immerhin noch um eine Schadenssumme von 4,6 Millionen Euro. Alle übrigen Fälle sind bereits verjährt.

Dem ehemaligen Herstellungsleiter wird vorgeworfen, mit insgesamt fünf Firmen Scheingeschäfte abgewickelt zu haben. Die TV-Dienstleister stellten dabei Rechnungen für Leistungen aus, die nie erbracht wurden. Im Prozess wird es nur um Geschäfte mit der Berliner Firma Kopp-Film gehen, die dem Ki.Ka fiktive Posten für Sendungen wie "Bernd das Brot" und "Beutolomäus" in Rechnung stellte. Das Geld soll zwischen Kopp-Film-Geschäftsführer Fabian B. und K. zunächst geteilt worden sein. Zuletzt soll der Ki.Ka-Manager 60 Prozent der ergaunerten Summe für sich behalten haben. Der Skandal kam erst durch eine Selbstanzeige des Kopp-Film-Geschäftsführers ans Licht.

K. war nach dem Geschäftsführer die Nummer zwei in der Hierarchie des Senders. In Erfurt, wo der Ki.Ka seinen Sitz hat, galt er als angesehener Bürger. Ende 2009 kürten ihn die Leser der "Thüringer Allgemeinen" neben Prominenten wie Yvonne Catterfeld, Clueso und Nike Wagner zu einem der "100 wichtigsten Thüringer".

Dennoch machten in der Stadt schon seit Längerem Gerüchte über die angebliche Spielsucht des Ki.Ka-Managers die Runde. Im Erfurter Kasino, dessen goldene Kundenkarte er besaß, ging er ein und aus. Auch in anderen Kasinos soll K. ein gern gesehener Gast gewesen sein. Unmittelbar vor seiner Verhaftung kehrte er von einem Kurztrip nach Las Vegas zurück. Spielsucht war nach Ansicht der Staatsanwaltschaft denn auch das Motiv für die K. zur Last gelegten Taten.

Von der Spielleidenschaft des damaligen Herstellungsleiters soll man auch beim Ki.Ka gewusst haben. Laut eines Revisionsberichts des ZDF und des MDR ist davon auszugehen, dass K.s Spielsucht "in der Amtszeit des Geschäftsführers (Frank) Beckmann bis in die Leitungsebene des Ki.Ka" bekannt war. Beckmann, der inzwischen Fernsehdirektor des NDR ist, soll von einem Mitarbeiter auf die Probleme des Herstellungsleiters hingewiesen worden sein. Er habe diesen Hinweis aber nicht ernst genommen. Beckmann sagt, er habe von K.s Spielsucht nichts gewusst.

Doch nicht nur die Gleichgültigkeit gegenüber Hinweisen auf die Spielleidenschaft des Ki.Ka-Managers wird in dem Bericht moniert: "Die Manipulationen des Herstellungsleiters sind durch eine Reihe von Schwachstellen im internen Kontrollsystem des Ki.Ka ermöglicht worden", heißt es dort. Anders lässt sich auch kaum erklären, wie es K. gelang, unbemerkt jahrelang aus einem bescheidenen Etat von 35 bis 38 Millionen Euro jährlich etwa eine Million Euro abzuzweigen. Der Herstellungsleiter soll sich im Wesentlichen selbst kontrolliert haben. Anregungen einer noch in seiner Amtszeit durchgeführten Revision des ZDF wurden nicht umgesetzt. Fiktive Rechnungen ließ er durch Untergebene gegenzeichnen.

Der MDR, der beim Ki.Ka die Federführung hat, zog bereits im Frühjahr erste Konsequenzen: Der derzeitige Ki.Ka-Geschäftsführer Steffen Kottkamp und zwei seiner Mitarbeiter wurden abgemahnt, einer Ki.Ka-Beschäftigten wurde gekündigt. MDR-Verwaltungsdirektor Holger Tanhäuser legte seinen Posten nieder. Keine Konsequenzen hatte der Skandal bisher für den heutigen NDR-Fernsehdirektor Beckmann. Mit großem Interesse wird die Medienbranche den Prozess verfolgen. Sollte K.s Hamburger Anwältin Doris Dierbach ihm raten, sein Schweigen zu brechen, könnte er womöglich noch andere amtierende oder ehemalige Führungskräfte von Ki.Ka und MDR in den Skandal hineinziehen.

K. hat MDR-Intendanten Udo Reiter bereits jetzt das Karriere-Ende verdorben. "Der Betrug hat mich persönlich getroffen", sagt er. Reiter zieht sich noch dieses Jahr von seinem Amt zurück. Er habe dies schon Anfang des Jahres tun wollen, aber seinen Abschied wegen der Betrugsaffäre verschoben.