Der Medienanwalt Christian Schertz über den Imageschaden für den Wettermoderator

Die Karriere von Jörg Kachelmann hat durch den Vergewaltigungsprozess großen Schaden genommen. Im Gespräch mit dem Abendblatt erklärt der Medienanwalt Christian Schertz, warum auch Staatsanwälte dafür verantwortlich sind und warum er Kachelmann rät, zu schweigen.

Hamburger Abendblatt:

Wird Kachelmann dieses Urteil und der Makel des Restverdachts für immer anhaften?

Christian Schertz:

Für die Persönlichkeitsrechte gilt der Grundsatz, dass leider immer etwas hängen bleibt. Gerade das macht ja die mediale Vorverurteilung so problematisch.

Was würden Sie ihm jetzt empfehlen?

Schertz:

In vielen Fällen, in denen ich die Betroffenen von Medienkampagnen beziehungsweise massiver Medienberichterstattung begleitet habe, sind diese gut mit der Strategie gefahren: nichts mehr sagen, durchatmen, abtauchen und dann, nach etwas Zeit, wieder auf die Bühne gehen. Ich bin kein Freund von "Jetzt rede ich"-Geschichten, weil damit der Betroffene selbst das Thema am Kochen hält.

Aber ist es nicht normal, dass Kachelmann seine Sicht wiedergeben will?

Schertz:

Ich kann das Bedürfnis verstehen. Aber jedes Mal, wenn der Betroffene etwas sagt, schafft er neue Nachrichtenwerte. Es wird dann immer für die Medien eine Weiterdrehe oder Nachfolgegeschichte geben. So würde Kachelmann keine Ruhe bekommen.

Haben Prominente schon vor Prozessbeginn verloren?

Schertz:

Ich nenne das den "Promi-Malus". Allein der Umstand, dass jemand prominent ist, führt inzwischen in der Medienrepublik Deutschland dazu, dass der Verdacht eines Fehlverhaltens zu einer medialen Vorverurteilung führt. Die kann Existenzen vernichten.

Im Fall Kachelmann hat die Staatsanwaltschaft viel zu früh bekannt gegeben, dass sie einen Moderator verhaftet hat. So hat sie eine mediale Lawine ausgelöst. Dabei galt zu dem Zeitpunkt die Unschuldsvermutung, die das Gericht bestätigt hat.

Ist diese neue Offenheit der Staatsanwaltschaft ein Einzelfall oder Trend?

Schertz:

Das ist ein Trend, der aus den USA herüberschwappt. Er nennt sich Litigation-PR. Staatsanwaltschaften versuchen, mit Offenheit gegenüber Journalisten der Medienarbeit der Verteidiger etwas entgegenzusetzen. Sie sind aber in Deutschland neutrale Behörden, müssen auch entlastend ermitteln, haben eine Fürsorgepflicht gegenüber den Verdächtigen. Sie dürfen nicht den medialen Pranger fördern.