Wie ein Kannibale: Zum Auftakt des Bodenfelde-Prozesses um Mord an den Teenagern Nina und Tobias offenbarte der Angeklagte Jan O. grausige Details.

Göttingen. Bis zum sicheren Elternhaus am Ortsrand von Bodenfelde hat Nina am 15. November keine 100 Meter mehr, aber Jan O. fängt sie ab, zwingt sie in ein nahes Wäldchen, würgt die 14-Jährige, sticht sie nieder. Er beißt dem schwerstverletzten und stöhnenden Mädchen in den Hals, um Fleischstücke herauszureißen, die er dann schluckt, er trinkt das Blut, das aus Ninas Nase läuft. Solcher Kannibalismus verschafft dem 26-Jährigen, so die Anklage, genau wie die Ausübung von Gewalt sexuelle Befriedigung.

Immer wieder schaut Ninas Mutter den Angeklagten an

Diese und viele weitere grausame Details, wie sie selten in deutschen Gerichtssälen berichtet werden, muss die Mutter von Nina an diesem Dienstag ertragen. Sie hat die verzweifelten Schreie ihrer Tochter nicht hören können und weint lautlos fast die ganze Zeit, während im Schwurgerichtssaal am Landgericht Göttingen Staatsanwalt Jens Müller beschreibt, wie erst Nina und fünf Tage später der 13-jährige Tobias gestorben sind in dem kleinen Waldstück. Und wenn Staatsanwalt Müller wieder ein besonders schreckliches Detail vorträgt, dann schaut Ninas Mutter den Angeklagten an, ganz bewusst, fast provozierend. Der unscheinbare Jan O., superkurze Haare, Schnäuzer, weicht den Blicken genauso konsequent aus.

Im Zuschauerraum stoßen sie sich an, fassen es nicht: "Du, jetzt verdrückt der tatsächlich Tränen." Als das in der Untersuchungshaft verfasste 19-seitige schriftliche Geständnis des drogen- und alkoholabhängigen früheren Sonderschülers aus Uelzen verlesen wird, fassen sich viele der meist jungen Zuhörer an den Händen, um den Halt nicht zu verlieren. Andere flüchten. Er hat sich selbst mit dem Handy gefilmt, als er nach zwei Tagen an den Tatort zurückkehrte, den Körper von Nina weiter verstümmelte, was ihm wieder sexuelle Befriedigung verschaffte. Und er schildert, dass ihn der Kannibalismus "total aufgegeilt hat" Über Ninas Blut sagt er: "Es hat nicht schlecht geschmeckt." Am Tag nach der Ermordung von Nina hat er zudem im Internet geprahlt mit seiner Tat: "Gestern Mädchen geschlachtet".

Den 13-jährigen Tobias trifft er nahe am ersten Tatort, als er noch ein weiteres Mal zurückkommt. Aus Angst vor Entdeckung, aber auch, weil er Tobias mit seinen langen Haaren für ein Mädchen hält, packt er auch ihn, tötet ihn mit zahllosen Messerstichen, verteilt das Blut des Opfers auf dessen ganzem Körper und legt sich dann, selbst nackt, den entkleideten Jungen auf den Bauch. Auch das befriedigt ihn.

Die Staatsanwaltschaft geht von einer schweren Persönlichkeitsstörung aus, Gutachter werden klären müssen, inwieweit er überhaupt steuerungsfähig ist. Für Staatsanwalt Müller ist schon klar: "Er handelte zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes, grausam und heimtückisch." Deswegen lautet die Anklage auf Doppelmord. Ganz unabhängig davon, ob der Angeklagte am Ende in der Psychiatrie landet.

Die Eltern von Tobias sind nicht zum Prozess gekommen, ihr Anwalt Steffen Hörning, früher selbst Staatsanwalt, hat ihnen dringend abgeraten, sie machen derzeit eine Psychotherapie in einer Klinik. Die Familien der Opfer, so berichten es vor dem Gericht die Nachbarn, haben den Tod ihrer Kinder noch nicht annähernd verarbeitet. Und über ihren kleinen Heimatort Bodenfelde sagt eine Nachbarin: "Unsere Welt ist immer noch aus den Fugen."

In Bodenfelde herrschen Trauer und auch Wut bei den Bürgern

Es ist einerseits die Trauer um die beiden Kinder, die fast jeder kannte. Aber andererseits spricht eine andere Nachbarin, eine brennende Kerze in der Hand, ausdrücklich auch "von Wut, die wieder hochkommt", Der Prozess nämlich erinnert auch daran, dass beide Kinder noch leben könnten, wenn die Staatsanwaltschaft wenige Wochen vor der Tat der Empfehlung der Polizei gefolgt wäre, Jan O. in Untersuchungshaft zu nehmen. Der mehrfach vorbestrafte Mann stand im Verdacht einer Brandstiftung. Immerhin: Anwalt Hörning glaubt zwar nicht, dass sich das Gericht mit dieser Frage ausführlich beschäftigen wird, aber er will nach dem Prozess alle Akten anfordern: "Ob es da Verantwortliche gibt und Fehler, das muss genau geprüft werden."