Prozessauftakt in Göttingen: Der Angeklagte Jan O. soll die Jugendlichen Nina und Tobias aus Bodenfelde im November 2010 grausam ermordet haben.

Bodenfelde. Der Prozess um den grauenvollen Tod zweier Jugendlicher in Bodenfelde hat am Mittwoch am Landgericht Göttingen mit einem Geständnis des Angeklagten begonnen. Der 26-jährige Jan O. wird beschuldigt, die 14 Jahre alte Nina und den 13-jährigen Tobias im November vergangenen Jahres in Bodenfelde zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes mit unzähligen Messerstichen ermordet zu haben. Die Anklage legt ihm zweifachen Mord zur Last.

Der suchtkranke Angeklagte hatte bereits schriftlich erklärt, an Ninas Leiche auch kannibalistische Handlungen vorgenommen zu haben. Bei einem Schuldspruch wird der Mann möglicherweise in der Psychiatrie landen: Ein Gutachter kam bereits zu dem Schluss, dass er allenfalls eingeschränkt steuerungsfähig war. Der Staatsanwalt ergänzte am Mittwoch, Jan O. sei aber einsichtsfähig. Der Angeklagte ließ am Mittwoch durch seinen Verteidiger vor dem Göttinger Landgericht erklären, er räume die Anklagevorwürfe ein und beziehe sich dabei auf sein in der Untersuchungshaft verfasstes schriftliches Geständnis. Der Prozess findet unter großem Medien-Interesse statt.

Das erste Opfer des Angeklagten war am 15. November vergangenen Jahres die 14-Jährige. Er wollte sie laut Anklage in einem Wäldchen am Ortsrand von Bodenfelde vergewaltigen. Als die Schülerin sich wehrte, habe er sie gewürgt, getreten, mit einer vollen Bierflasche geschlagen und schließlich mit Messerstichen getötet. Er habe auch kannibalistische Handlungen an ihr begangen. Im Internet prahlte Jan O. einen Tag nach dem Mord: „Gestern Mädchen geschlachtet“. Fünf Tage nach dem ersten Mord soll der Angeklagte den 13 Jahre Jahre alten Tobias, den er zunächst ebenfalls für ein Mädchen hielt, in dasselbe Wäldchen gezerrt und ihn dort ebenfalls grausam getötet haben.

Die Eltern des getöteten Tobias sind im Prozess durch einen Anwalt vertreten. Die Mutter der ermordeten Nina nimmt als Nebenklägerin an der Seite ihres Rechtsbeistandes selbst an dem Verfahren teil.

Nach Einschätzung des Göttinger Kriminologen Prof. Jörg-Martin Jehle werden junge Kleinkriminelle nur in den seltensten Fällen zu schweren Gewalttätern wie der mutmaßliche Doppelmörder von Bodenfelde. „Solche Gewalttaten sind die extreme Ausnahme.“ Von den mehr als 300 000 jungen Menschen, die jährlich mit der Justiz in Berührung kämen, fielen nur etliche Dutzend mit vergleichbar schweren Gewalttaten auf. Einiges deute auf eine massive Vorbelastung des Angeklagten in der Kindheit und Jugend hin, sagte Jehle.

„Wir haben es vermutlich mit einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Form einer Persönlichkeitsstörung zu tun.“ Hinweise auf solche Auffälligkeiten könnten auch eine Brandstiftung des Angeklagten und der Drogenmissbrauch sein. Ein starkes Indiz für eine Persönlichkeitsstörung seien die kannibalistischen Handlungen, die der Angeklagte schriftlich eingeräumt hatte. Im juristischen Sinne könnte eine schwere andere seelische Abartigkeit vorliegen.

Mögliche Fahndungspannen sind zunächst nicht Gegenstand des Prozesses. So hatte der Angeklagte vor der Tat gegen Bewährungsauflagen verstoßen, man hätte ihn deshalb in Haft nehmen müssen, hatte der Bürgermeister von Bodenfelde gesagt. Für schwere Gewalttaten habe es keine Anzeichen gegeben, hatte indes die Staatsanwaltschaft erklärt. Nach Ninas Verschwinden hatten ihre Eltern eine Vermisstenanzeige aufgegeben, da die Schülerin aber schon öfter weggelaufen war, verzichtete die Polizei auf eine öffentliche Fahndung.

Für den Prozess hat die Schwurgerichtskammer zunächst elf Verhandlungstage bis Ende Mai angesetzt.

. (dpa/dapd/abendblatt.de)