Vom Weihnachtsmann verdrängt, sind die Ursprünge des einstigen Bischofs fast vergessen. Zurzeit hat er nur eine Nebenrolle.

Hamburg. Bis zum 16. Jahrhundert war es ausschließlich der Heilige Nikolaus, der die artigen Kinder besuchte und ihnen Geschenke brachte. Doch dann kam Martin Luther und reformierte den katholischen Heiligen - der auf der Beliebtheitsskala seit jeher ganz oben rangierte - einfach in Altersteilzeit. Der 24. Dezember, der Geburtstag Jesu, wurde ersatzweise zum Tag der Geschenke und zum Überbringer wurde das wesentlich jüngere Christkind. Der Nikolaus kam zwar weiterhin zu den Kindern, musste sich aber mit einer Nebenrolle begnügen. Und weil ein amerikanischer Getränkehersteller auf Grundlage des niederländischen Sinterklaas den gemütlichen, etwas dicklichen Weihnachtsmann erfand, musste der Nikolaus auch noch seine Bischofstracht an den Nagel hängen und sich ebenfalls in einen roten Frotteeanzug mit Bommelmütze zwängen. Denn kein Kind erkannte ihn mehr, wenn er nicht aussah wie sein Pendant aus Schokolade.

Damit verlor er allerdings all die Merkmale, die auf den Ursprung der Nikolaus-Legende zurückgehen. Denn nach allem, was man weiß, beruht die Figur des Nikolaus - in Norddeutschland auch "Nikolai" - auf dem Bischof von Myra, der im vierten Jahrhundert in der heutigen Türkei wirkte. Schon als Kind war der Sohn reicher Eltern ungewöhnlich großzügig. Als er schließlich Bischof wurde, wuchs er regelrecht über sich hinaus und wurde, der griechischen Bedeutung seines Namens entsprechend, zum "Sieger des Volkes". Er gab den Armen von seinem Vermögen und rettete unter anderem drei Mädchen vor der Prostitution, indem er ihnen nachts Goldklumpen durchs Fenster warf, die ihnen als Mitgift für eine glückliche Heirat dienen sollten. In manchen Versionen warf er die Gaben auch durch den Kamin und sie landeten in zum Trocknen aufgehängten Strümpfen. Das könnte der Ursprung des heutigen Brauches sein, in der Nacht zum 6. Dezember einen Schuh vor die Tür oder auf die Fensterbank zu stellen, der dann vom Nikolaus gefüllt wird. Ursprünglich mit Äpfeln, die an die Goldklumpen erinnern sollten, und Nüssen, heute mit Süßigkeiten. Der Bischof Nikolaus beschenkte aber nicht nur die Armen, er half im Grunde überall dort, wo Not am Mann war. So wurde er im Lauf der Zeit Schutzpatron der Seefahrer, Heiratswilligen, Kinder, Gefangenen und der Schüler, von denen er gleich drei nach ihrem Tod wieder zum Leben erweckte. Besonders interessant ist auch seine Schutztätigkeit für Händler, Banker, Pfandleiher und Diebe gleichermaßen. Obwohl man da seit dem letzten Jahr nicht mehr zwingend unterscheiden muss - der Nikolaus hatte sie trotzdem alle gleich lieb.

Seine Frömmigkeit und die Wunder, die er tat, waren weit über die Landesgrenzen bekannt. Erzählungen zufolge war er angeblich schon als Baby so fromm, dass er an den Fastentagen Mittwoch und Freitag die Brust der Mutter nur einmal annahm. Als er am 6. Dezember vermutlich im Jahr 350 starb, war die Bestürzung entsprechend groß. Seine Gebeine wurden 1087 nach Bari in Apulien (Italien) verfrachtet, um ihn, einem Heiligen gebührend, zu bestatten. In seinem Gedenken kam ab diesem Zeitpunkt an jedem Todestag der Nikolaus zu den Kindern und trug dabei eine Bischofsmütze, die sogenannte Mitra, einen festlichen Umhang und stützte sich auf einen Bischofsstab. Im Gegensatz zum Weihnachtsmann bestrafte er die bösen Kinder aber nicht mit der Rute, das würde er nie tun. Für solch undankbare Aufgaben hat er einen Gehilfen, der je nach Region Knecht Ruprecht oder Krampus heißt. Der sollte allerdings auch nicht schlagen, sondern nur durch sein unerfreuliches Äußeres erschrecken. Angereist kamen die beiden ausgesprochen umweltfreundlich, nämlich zu Fuß. In zahlreichen Gedichten stapfen sie durch den Schnee, während die Kinder sehnsüchtig auf Geräusche vor der Tür lauschen. In der modernen Zeit hat sich auch dies geändert. So sah sich der Automobilclub von Deutschland (AvD) dazu veranlasst, Nikoläuse auf Tour zum Stutzen ihres Bartes aufzufordern, damit dieser sie nicht beim Fahren behindere. Auch von klobigen Stiefeln, unpraktischen Masken und allzu ausladenden Mänteln sei wegen Gefährdung der Verkehrssicherheit abzuraten. Schließlich soll es ja auch in diesem Jahr wieder heißen: "Horcht einmal hinaus! Bald kommt Herr Nikolaus! Er geht herum, er klopft bumbum, schaut dort hinauf und da hinein, dann kommt er gar zu uns herein und leert bei uns sein Sackerl aus, der gute, gute Nikolaus!"