Anfang des Jahres wurde Haiti Opfer eines starken Erdbebens, dann kam die Regenzeit und nun könnte sich eine Cholera-Welle ausbreiten.

Port-au-Prince. Die Cholera in Haiti hat die Millionenstadt Port-au-Prince erreicht. In der Hauptstadt seien drei Menschen gestorben, mindestens fünf weitere seien erkrankt, teilten die Behörden am Sonntag mit. Alle Infizierten hätten sich aber nicht in Port-au-Prince angesteckt. Sie stammten aus dem Infektionsgebiet nördlich der Stadt. Insgesamt sind bereits mehr als 220 Menschen an der Cholera gestorben, rund 3000 Menschen erkrankten. Hilfsorganisationen versuchen fieberhaft, die rasante Ausbreitung einzudämmen.

In Port-au-Prince leben fast drei Millionen Menschen, die Stadt bietet mit ihren riesigen Lagern für Erdbebenopfer eine ideale Brutstätte für Seuchen. Um die Ausbreitung der Cholera zu verhindern, versuchen Helfer, Infizierte möglichst rasch zu isolieren. Es gelte jetzt, Pläne vorzubereiten, um auch für das Schlimmste gewappnet zu sein, sagte eine Sprecherin des UN-Büros zur Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA). Ausgebrochen war die Seuche im Department Artibonite rund 80 Kilometer nördlich von Port-au- Prince. Sie geht mit Durchfall, Fieber und Erbrechen einher.

In der Bevölkerung kam es am Wochenende zu Panikreaktionen und Tumulten vor den oft völlig überlasteten Krankenhäusern. Menschen versuchten, ihre geschwächten und sterbenden Familienangehörigen in die überfüllten Gebäude zu bringen. Die Hilfsorganisation Humedica berichtete, die auf medizinische Basisversorgung spezialisierte Gesundheitsstation von Drouin habe binnen zwei Tagen einen Ansturm von 800 Patienten aushalten müssen – bei gerade mal zehn verfügbaren Betten.

Moritz Wohlrab vom Aktionsbündnis „Deutschland hilft“ zufolge besteht das besondere Problem darin, dass die Haitianer die Cholera nicht kennen. „Selbst in den haitianischen Krankenhäusern fehlt das Wissen.“ In den Lagern würden die Menschen über Megafone darüber aufgeklärt, wie sie sich verhalten sollen.

Während die Camps meist gut mit Hilfsgütern versorgt werden, leiden viele Menschen in Artibonite inzwischen unter Durst, weil sie nicht mehr das Wasser aus den Flüssen trinken dürfen. Es gilt als eine Quelle für die Infektion mit dem Cholera-Erreger. Vor allem außerhalb der größeren Ortschaften standen tausende Menschen an den Landstraßen und bettelten die Vorbeifahrenden um Wasser an.

Viele Hilfsorganisationen, die seit dem Erdbeben vor neun Monaten im Land sind, erweiterten ihre Hilfsaktionen. Auch die Vereinten Nationen, die Haiti bereits seit 2004 mit einer rund 10 000 Mann starken Stabilisierungsmission helfen, kämpfen gegen die Ausbreitung der Seuche. Aus den USA, Kanada und Europa treffen Zelte, medizinische Ausrüstung, Ärzte und Pfleger ein. In den überfüllten Lagern von Port-au-Prince wurden in aller Eile zusätzliche Waschgelegenheiten geschaffen, wie die Organisation World Vision berichtete.

Gesundheitsminister Alex Larson, der am Samstag mit Präsident René Préval die Choleraregion besuchte, appellierte an die Bevölkerung, auf Hygiene zu achten. Nach Angaben der Organisation Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontiéres, MSF) sind die Kliniken von Saint- Marc nicht auf die Cholera eingestellt. Um die Patienten zu isolieren, werde MSF ein eigenes Zentrum für die Infizierten einrichten, sagte Koordinatorin Federica Nogarotto.

Die Behörden vermuten, dass nach den Regenfällen der vergangenen Wochen Latrinen überliefen und das bakterienverseuchte Wasser in den Fluss Artibonite gelangte. Der erste Cholera-Fall war am vergangenen Dienstag aufgetreten. Eine Epidemie hat es in dem Land nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation seit über 100 Jahren nicht gegeben.

Aus den seit Januar bestehenden Obdachlosenlagern in Port-au-Prince mit ihren insgesamt rund 1,5 Millionen Bewohnern wurden zunächst keine Cholera-Fälle bekannt. Viele Camps gelten als besser versorgt als die verarmten ländlichen Gebiete. Sie verfügen durch die internationale Hilfe in der Regel über sauberes Trinkwasser.

Bei dem Erdbeben am 12. Januar waren in Port-au-Prince und in der Umgebung weit über 220000 Menschen getötet worden.