Dem Chef des Enthüllungsportals Wikileaks wurde Vergewaltigung und sexuelle Nötigung vorgeworfen. Er spricht von “schmutzigen Tricks“.

Stockholm. Der Justiz-Wirbel um den Chef des Enthüllungsportals Wikileaks wird immer mysteriöser: Gegen den Australier Julian Assange wurde in Schweden ein Haftbefehl wegen Vergewaltigung erlassen und kurze Zeit später wieder aufgehoben. Auslöser waren die Aussagen zweier Schwedinnen, die Assange Vergewaltigung sowie sexuelle Nötigung vorwarfen. Assanges Internetportal hatte im Juli mit der Veröffentlichung zehntausender geheimer US-Dokumente zum Krieg in Afghanistan weltweit Aufsehen erregt und damit den Zorn der US- Geheimdienste auf sich gezogen.

Die Stockholmer Staatsanwaltschaft hob den Haftbefehl nach wenigen Stunden wieder auf. Die beiden Frauen hatten jeweils berichtet, zunächst freiwillig Sex mit dem 39-jährigen Australier gehabt zu haben. Dabei sei Assange in beiden Fällen gewalttätig worden. Beide Frauen gingen damit zur Polizei, erstatteten aber keine Anzeige.

Die Nachricht vom Haftbefehl gegen den Australier schlug weltweit in den Medien sowie bei Internet-Bloggern, der Twitter-Gemeinde und Internet-Foren wie eine Bombe ein. Hinzu kam, dass in dem Fall auch der Name des Verdächtigen genannt wurde, was in Schweden extrem ungewöhnlich ist.

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Zur gleichen Zeit, als im Internet zahlreiche Verschwörungstheorien über mögliche politische Hintergründe für den Vergewaltigungsverdacht verbreitet wurden, ermittelte die Stockholmer Staatsanwaltschaft zu den Angaben der zwei Frauen. Danach erklärte die Stockholmer Justizsprecherin Eva Finné: „Es gibt für mich keinen Grund zu dem Verdacht mehr, dass er eine Vergewaltigung begangen hat.“

Assange selbst wies die Beschuldigung in Mails an führende Stockholmer Medien zurück. Immer wieder hatte es Gerüchte gegeben, dass US-Geheimdienste dem Australier und seinen Mitstreitern nachstellen. Auch in Europa fühlt sich Assange nach eigenen Angaben unter Beobachtung: „Wir haben hier in den letzten Monaten einige Vorfälle entdeckt“, sagte der Wikileaks-Chef vor einigen Wochen.

Im offiziellen Wikileaks-Blog (http://dpaq.de/FyMJB) stellten sich die Mitarbeiter hinter ihren Kollegen: „Wir sind zutiefst beunruhigt über die Schwere der Vorwürfe. Wir, die Leute hinter Wikileaks, empfinden starken Respekt für Julian. Er hat unsere volle Unterstützung.“

Zu der für Schweden extrem ungewöhnlichen Veröffentlichung seines Namens im Zusammenhang mit dem Vergewaltigungs-Verdacht schrieb Assange in einer weiteren Twitter-Mitteilung: „Wir sind vor „schmutzigen Tricks“ gewarnt worden. Jetzt erleben wir den ersten.“

Der Wikileaks-Chef hatte bei seinem Besuch in Stockholm unter anderem eine Zusammenarbeit mit der schwedischen Piratenpartei vereinbart. Sie will Wikileaks kostenfrei Server zur Verfügung stellen.

Die Zeitung „Expressen“, die den Namen des Wikileaks-Chefs als erstes Medium veröffentlicht hatte, begründete den Schritt trotz der sehr frühen Phase bei den Ermittlungen damit, dass es sich um einen „außergewöhnlichen Fall“ gehandelt habe.

Nach einem Bericht des US-Magazins „Newsweek“ soll Wikileaks der US-Regierung Online-Zugang zu bislang unveröffentlichten Dokumenten gewährt haben. Regierungsbeamte könnten dabei über einen passwortgeschützten, „sicheren Kanal“ die Papiere einsehen, meldet das Blatt unter Berufung auf einen Anwalt, der nach eigener Aussage das Enthüllungsportal vertritt. Er stehe mit Assange sowie mindestens einem Ermittler gegen das Portal in Kontakt. Der Regierung solle so ermöglicht werden, aus den Dokumenten ihrer Ansicht nach sensible Informationen zu streichen, wird Anwalt Timothy Matusheski weiter zitiert. Er wisse allerdings nicht, ob die US-Regierung den Zugang zu den Dokumenten auch wirklich nutze.

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Assange hatte vor einer guten Woche die Veröffentlichung von 15 000 weiteren Dokumenten angekündigt, nachdem das Portal bereits Ende Juli mehr als 76 000 Seiten geheimer Kriegsaufzeichnungen aus Afghanistan publik gemacht hatte. Man habe schon etwa die Hälfte dieser Papiere gesichtet, erklärte der Portal-Gründer seinerzeit. Wann die Akten ins Netz gestellt werden sollen, sagte Assange nicht. Das Pentagon warnte vor einer Veröffentlichung. Ein solcher Schritt wäre der „Gipfel der Verantwortungslosigkeit“, sagte ein Sprecher.

Das Verteidigungsministerium hatte Wikilieaks und Assange nach der ersten Veröffentlichung scharf angegangen. US-Generalstabschef Michael Mullen sagte damals: „Aber die Wahrheit ist, dass sie schon das Blut eines jungen Soldaten oder einer afghanischen Familie an ihren Händen kleben haben könnten.“ Pentagon-Chef Robert Gates kündigte eine „aggressive“ Untersuchung der Veröffentlichung an.