Arabische Großfamilien schleusen die Kinder ein. Eine Methode, vor der die verstorbene Richterin Heisig in ihrem Buch gewarnt hat.

Berlin. Sie sollten in der Schule sein. Doch die zum Teil erst elf Jahre alten Jungen in den Berliner U-Bahnhöfen sind nicht auf dem Weg dorthin, und in ihrem Mund schieben sie statt Kaugummi kleine Kugeln voller Heroin hin und her, sogenannte Szenekügelchen. Allein dreimal fasste in den vergangenen Tagen die Polizei einen Elfjährigen arabischer Herkunft. Jedes Mal war er kurz darauf wieder unterwegs. Ein Zwölfjähriger wurde mit 19 Heroin-Kugeln in einer Straßenbahn am Alexanderplatz geschnappt, ein 13-Jähriger ohne festen Wohnsitz am U-Bahnhof Möckernbrücke.

Die Berliner Polizei hat derzeit sechs Kinder als sogenannte Intensivtäter im Visier. Die Liste ihrer Taten reicht von Beleidigung über Diebstahl, Raub bis hin zu gefährlicher Körperverletzung und Drogenhandel.

Die Polizei steht dem Problem hilflos gegenüber. Bestraft werden können Kinder unter 14 Jahren in Deutschland nicht. Als die Fahnder zuschlugen, schluckte der Elfjährige die mit Kunststoff umwickelten Heroinkugeln herunter. Die Beamten fuhren ihn ins Krankenhaus und dann in ein Heim für Waisenkinder in Zehlendorf, wo er offiziell lebt. Von dort kehrte er rasch wieder zurück ins Verkaufsgebiet - die Bahnhöfe der U 8 von Neukölln nach Kreuzberg und Mitte, die schon viele Jahre Zentren des Drogenhandels sind.

Dieser sei in vielen Teilen Deutschlands fest in der Hand arabischer Großfamilien, die eigentlich libanesische Kurden seien, schrieb die verstorbene Jugendrichterin Kirsten Heisig in ihrem Buch "Das Ende der Geduld - konsequent gegen jugendliche Gewalttäter" (Herder), das am 26. Juli erscheint. Die Juristin, die mit dem "Neuköllner Modell" dafür sorgte, dass Jugendliche schnell vor Gericht gestellt werden, war am 3. Juli nach einem Selbstmord im Tegeler Forst entdeckt worden.

Die Behörden sähen zu, wie Kinder und Jugendliche aus palästinensischen Flüchtlingslagern in die Bundesrepublik geschleust würden, berichtete Heisig aus ihrer Praxis und schilderte das immer gleiche Vorgehen: Die Kinder steigen mit Pass in Beirut ins Flugzeug. Während des Fluges sammelt ein Begleiter die Ausweise ein, in Deutschland bitten die elternlosen Kinder um Asyl und tauchen bei Großfamilien unter.

Besonders in Berlin, dem Ruhrgebiet, in Bremen und Bremerhaven seien zehn bis zwölf arabische Clans mit einigen Tausend Mitgliedern aktiv. Die lebten nach ihren Gesetzen, der Staat komme nicht an sie heran. "Die Kinder wachsen weitgehend unkontrolliert in diesen kriminellen Strukturen auf", heißt es in Heisigs Buch. Wenn der deutsche Staat diese Familien weiter ohne Gegenleistung mit Kindergeld und Sozialleistungen unterstütze, "obwohl sie die Gesellschaft hemmungslos schädigen, blamiert er sich aufs Äußerste und lädt zur Nachahmung ein", schrieb die Richterin.

Neben strengeren Einreisekontrollen seien auch geschlossene Heime nötig. Das fordert nun auch die Deutsche Polizeigewerkschaft. "Diese Kinder muss man aus ihren Familien nehmen und versuchen, sie zu sozialisieren", sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt. Berlin unterhält bisher nur offene Einrichtungen, wo kriminelle Kinder kommen und gehen können, wie sie wollen. Auch der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) spricht sich für geschlossene Heime aus. Es gehe aber nicht darum, Kinder wegzuschließen. Maßgeblich sei, dass sie nicht wegkönnten und pädagogisch betreut würden.

Eine solche Einrichtung für straffällige Jugendliche gab es in Hamburg. Das Heim in der Feuerbergstraße in Ohlsdorf wurde Ende 2008 nach sechs Jahren geschlossen. Es kostete die Steuerzahler jährlich bis zu 1,8 Millionen Euro. Wiederholt gelang Insassen die Flucht. Kritik wurde auch laut, weil ihnen ohne Einwilligung Psychopharmaka verabreicht und das Postgeheimnis verletzt wurde. Dennoch hält der Hamburger Jugendrichter Johann Krieten die Schließung für einen Fehler. "Wir haben keine vergleichbare Einrichtung und damit eine Lücke."