Diese Zahl tauchte in einem BP-Dokument auf. Eine solche Menge Öl wäre zwei Drittel mehr als im „Worst Case Scenario“ der US-Regierung.

Washington. Aus dem defekten Bohrloch im Golf von Mexiko könnte nach BP-Angaben BP noch deutlich mehr Öl austreten als bislang angenommen. Im schlimmsten Fall könnten unter bestimmten Bedingungen bis zu 100.000 Barrel (15,9 Millionen Litern) pro Tag ausfließen, heißt es in einem internen BP-Dokument, das der US-Kongressabgeordnete Ed Markey am Sonntag veröffentlichte. Das wären zwei Drittel mehr als im „Worst Case Scenario“ der US-Regierung, das von maximal 60.000 Barrel ausgeht. Das Öl strömt seit Beginn der Katastrophe am 20. April weitgehend ins Meer und hat zur größten Umweltkatastrophe in der US-Geschichte geführt. BP erklärte, die Zahlen aus dem Dokument seien nicht relevant. Sie bezögen sich auf den Fall, dass das Absperr-Ventil am Bohrloch (BOP) entfernt worden wäre – was aber nicht geschehen sei.

„Das Dokument wirft die sehr beunruhigenden Fragen auf, was BP gewusst hat und wann sie es gewusst haben“, teilte der Demokrat Markey mit. „Es ist klar, dass BP von Anfang an in Bezug auf das wirkliche Ausmaß des Öl-Lecks nicht ehrlich mit der Regierung und dem amerikanischem Volk umgegangen ist.“ BP-Sprecher Toby Odone erklärte indes, BP habe den Ausfluss nicht unterschätzt. „Wir haben immer gesagt, wir würden mit jedem Volumen beim Ölausfluss umgehen – und genau das tun wir.“

BP geriet am Wochenende auch an anderer Stelle weiter in die Kritik. Das Partnerunternehmen Anadarko ging auf Distanz zu dem Londoner Energie-Multi und warf BP unverantwortliches Verhalten im Vorfeld der Explosion auf der Bohrinsel „Deepwater Horizon“ vor. Anadarko-Chef James Hackett erklärte, es gebe immer mehr Beweise dafür, dass die Katastrophe vermeidbar und eine direkte Folge des verantwortungslosen Verhaltens von BP gewesen sei. Offenbar habe es sich um grobe Fahrlässigkeit und vorsätzliches Fehlverhalten gehandelt, sagte Hackett Reuters. Die Briten müssten daher für die Kosten allein aufkommen. Anadarko ist zu 25 Prozent an der Ölquelle beteiligt, das japanische Konzern Mitsui zu zehn Prozent. BP hält 65 Prozent. BP vertritt die Ansicht, dass sich die Partner an den Kosten der Ölpest beteiligen müssen. Noch ist die Schadenhöhe unklar. Experten gehen aber von hohen Milliarden-Beträgen aus.

Neue Kritik wurde auch an BP-Chef Tony Hayward laut, weil er sich Zeit für den Besuch einer Segelregatta vor der englischen Küste nahm. Schon kurz zuvor war Hayward bei seiner Anhörung im US-Kongress massiv angegriffen worden. Die Politiker werfen ihm vor, extreme Risiken zulasten der Sicherheit eingegangen zu sein und nun die Verantwortung für das Öl-Desaster zu scheuen.

Der „Sunday Times“ zufolge will BP 50 Milliarden Dollar einsammeln, um die Kosten der Umweltkatastrophe zu begleichen. Zehn Milliarden Dollar soll die Ausgabe einer Anleihe bringen. Zudem wolle sich BP bei den Banken um Kredite im Volumen von 20 Milliarden Dollar bemühen. Weitere 20 Milliarden Dollar wolle BP mit dem Verkauf von Vermögenswerten in den kommenden zwei Jahren erzielen. BP hat sich auf Druck der US-Regierung bereiterklärt, einen 20 Milliarden Dollar schweren Entschädigungsfonds einzurichten. Der Fonds-Verwalter Kenneth Feinberg versprach am Sonntag eine rasche Begleichung berechtigter Forderungen. BP hat bereits angekündigt, die Zahlung von Dividenden auszusetzen und den Verkauf von Vermögenswerten zu beschleunigen.

BP-CHEF WEGEN FREIZEITVERGNÜGEN IN DER KRITIK

Die BP-Bohrplattform „Deepwater Horizon“ war am 20. April nach einer Explosion gesunken. Dabei starben elf Arbeiter. Anfangs hatte es geheißen, es strömten wohl nur bis zu 1000 Barrel Öl pro Tag am Tag ins Meer. BP ist es noch nicht gelungen, das Loch zu schließen. Seit kurzem wird aber ein Teil des Öls aufgefangen. Außenstehende Experten hatten erklärt, es sei kaum möglich, die genaue Menge des ausströmenden Öls zu bestimmen. Hierzu müssten Gegebenheiten wie der Druck in der Ölquelle und geologische Verhältnisse bekannt sein.