Der Australopithecus sediba stand am Übergang zwischen Affe und Mensch. Er hatte lange Arme und einen aufrechten Gang.

Washington. Er war halb Affe, halb Mensch und lebte vor rund zwei Millionen Jahren: Der neu entdeckte Australopithecus sediba hatte lange Beine und konnte aufrecht gehen, aber seine Arme waren noch sehr lang und seine Hände kräftig. Wissenschaftler erhoffen sich von dem Fossilien-Fund wichtige Hinweise auf die Entwicklung des modernen Menschen. Ob es sich um einen direkten Vorfahren oder um eine Seitenlinie des Homo sapiens handelt, bleibt zunächst offen.

„Diese Fossilien geben uns einen außergewöhnlich detaillierten Einblick in eine neues Kapitel der menschlichen Entwicklung“, sagt Lee Berger von der Universität Witwatersrand in Südafrika. Der Australopithecus sediba sei ein Mosaik aus menschlichen und affenartigen Attributen gewesen. „Es handelt sich um ein Tier, dass sich in beiden Welten wohlfühlte.“

In einer Grube in Südafrika fanden die Forscher die Überreste einer Frau und eines Kindes. Die beiden Leichen lagen wohl einst in einer Höhle, kurz nach dem Tod wurden sie bei einer Flut von Sedimenten bedeckt, so dass die Körper versteinern konnten. Die Wissenschaftler bestimmten das Alter der Frau auf Ende 20 bis Anfang 30, der Junge war demnach zwischen acht oder neun Jahren alt. Später wurden noch zwei weitere Vertreter dieser Art gefunden

Komplizierte Verwandtschaftsverhältnisse

Zeitweise wurde der Fund als die fehlende Verbindung zwischen Affe und Mensch bezeichnet, aber diese Ansicht ist überholt. Die Theorie einer direkten Verbindung habe früher Sinn ergeben, als man sich die Entwicklung in einer geraden Linie vorgestellt habe, sagt Richard Potts, Paläontologe am amerikanischen Smithsonian-Institut. „Damals war das noch einfach.“ Doch heute sei klar, dass es eine Vielzahl an Verzweigungen gegeben habe. Die Verwandtschaftsverhältnisse sind also alles andere als leicht zu überschauen.

Dennoch erhoffen sich manche Forscher, mit dem Australopithecus sediba viele offene Fragen bei der Entwicklung unserer Urahnen beantworten zu können. Die Art könnte als Schlüssel zu den Geheimnissen der Anthropologie dienen, so wie die Altertumswissenschaftler einst den Stein von Rosetta nutzten, um die Hieroglyphen zu übersetzen.

„Quell“ des heutigen Menschen

Der Name drückt die Zwischenstellung der neu entdeckten Art aus. „Australopithecus“ hat nichts mit dem Kontinent zu tun, sondern heißt übersetzt „südlicher Affe“. Die Tiere heißen so, weil die ersten Fossilien im südlichen Afrika gefunden wurden. Der Zusatz „sediba“ bedeutet „Quell“ – damit ist die mögliche Bedeutung für die Entwicklung zum Menschen gemeint. „Er stellt einen Teil der Experimente während der Evolution dar“, sagt Forscher Potts.

Zur Gattung des Homo, zu dem auch der heutige Mensch gehört, wollten die Wissenschaftler die Art dann doch nicht zählen – wegen der vielen affenähnlichen Merkmale. Wie der Name schon sagt, wird sie der Gattung des Australopithecus zugeordnet. Den Ausschlag dürfte gegeben haben, dass der alte Verwandte nicht allzu viel im Kopf hatte: Sein Gehirn war drei bis vier Mal kleiner als das eines heutigen Menschen.