Jörg Kachelmann sitzt in Untersuchungshaft. Er kündigt Klage wegen “falscher Anschuldigungen“ an.

Hamburg. Eigentlich sollte er den Deutschen heute wieder das Wetter erklären. Mit seiner lockeren Art hätte der gebürtige Schweizer aus Hochs und Tiefs amüsante Anekdoten gemacht. Doch wenn heute um 19.50 Uhr in der ARD "Das Wetter im Ersten" ausgestrahlt wird, dann wird Jörg Kachelmann fehlen. Weil er im Gefängnis sitzt.

Schon am vergangenen Sonnabend wurde er nach seiner Rückkehr von den Olympischen Winterspielen in Vancouver auf dem Frankfurter Flughafen festgenommen und ins Mannheimer Untersuchungsgefängnis gebracht. Der Grund: Der 51-Jährige soll seine langjährige Freundin mit Gewalt zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben. Die Tat ereignete sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Mannheim bereits Anfang Februar nach einem Beziehungsstreit in der Wohnung der Frau im Rhein-Neckar-Kreis. Kachelmanns Freundin hatte im selben Monat Anzeige erstattet, die Polizeidirektion Heidelberg ermittelte. Weil sich der Tatverdacht erhärtet hat, erließ das Amtsgericht Mannheim Haftbefehl gegen den TV-Moderator.

Kachelmanns Anwalt Ralf Höcker wies die Anschuldigungen zurück: "Die Vorwürfe sind falsch und frei erfunden." Und Kachelmanns Sprecherin Stephanie Schleß sagte dem Hamburger Abendblatt: "Wir halten das für ein Missverständnis, das sich sicherlich schnell aufklären wird." Am Abend ging Kachelmann dann zum Gegenangriff über, ließ über seine Firma meteomedia mitteilen, dass er sich juristisch wehren werde und "wegen falscher Anschuldigungen" Klage erheben wird. In der Erklärung heißt es weiter: "Ohne dem Gang der Justiz vorgreifen zu wollen, halten wir es für undenkbar, dass die Anschuldigungen stimmen könnten." Die Vorwürfe seien ungerechtfertigt. "Selbstverständlich wird Kachelmann gegen die uns unbekannte Anzeigeerstatterin Anzeige erstatten."

Erwiese sich der Verdacht der Ermittler als wahr, dann wäre Kachelmanns Fernsehkarriere wohl beendet. In Zeiten, in denen fast täglich neue Meldungen über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche bekannt werden, könnte die ARD ihn nicht mehr als Moderator halten. Von dem Sender gab es zu dem Fall gestern keine Reaktion. Noch im Dezember setzte sich Kachelmann für eine Kampagne gegen häusliche Gewalt ein. Er enthüllte ein Plakat des Kinderschutzbundes mit dem Titel: "Gewalt hinterlässt Spuren". Kachelmann hatte damals gesagt: "Man muss das noch viel lauter und deutlicher sagen und immer wieder." Jetzt steht er selbst am Pranger.

Jörg Kachelmann ist nicht nur Deutschlands bekanntester Wetter-Experte, er ist auch ein erfolgreicher Geschäftsmann. Seine Firma meteomedia produziert die Wettersendungen der ARD, "Das Wetter im Ersten", und auch die nach den "Tagesthemen". Darüber hinaus bedient Meteomedia die dritten Programme mit Wettervorhersagen, auch in anderen Ländern ist die Firma aktiv. Kachelmann gründete das Unternehmen im Jahr 1990. Sein Geografie-Studium hat er nicht abgeschlossen, sondern sich die Meteorologie quasi selbst beigebracht. Mittlerweile betreibt Kachelmanns Firma ein eigenes privates Netz von rund 790 Messstationen und gehört nach eigenen Angaben zu den führenden privaten Wetterdienstleistern in Europa. Das Unternehmen hat rund 100 Mitarbeiter in Niederlassungen in Deutschland, der Schweiz, Kanada und den USA. Mit dem staatlichen Deutschen Wetterdienst liegt Kachelmann seit Jahren im Dauer-Clinch.

Anfang der 90er-Jahre gab Kachelmann den "Weatherman" beim Radio. Als die ARD das Frühstücksfernsehen startete, gelang ihm der Durchbruch im Fernsehen. Beim Publikum kommt der Schweizer in seinen schlabberigen Anzügen, den wuscheligen Haaren und mit seinen lockeren Gesten und Sprüchen gut an. So gut, dass die ARD-Verantwortlichen ihn auch in der Fernsehunterhaltung einsetzen. Bis zum Ende des vergangenen Jahres war Kachelmann Moderator der MDR-Talkshow "Riverboat", seitdem strahlt der Sender noch in unregelmäßigen Abständen die Sendung "Kachelmanns Spätausgabe" aus.