Rund 500.000 Häuser und Wohnungen wurden schwer beschädigt. Der Tsunami in Japan und Hawaii verlief dagegen glimpflich.

Concepción/Chile. Mehrere hundert Tote und hunderttausende Obdachlose – so lautet die vorläufige Bilanz des gewaltigen Erdbebens in Chile. „Im Moment gibt es rund 300 Todesopfer“, erklärte ein Sprecher der Nationalen Schutzbehörde am Sonntag. Rund 500.000 Häuser und Wohnungen wurden schwer beschädigt. Der Erdstoß der Stärke 8,8 jagte einen Tsunami um den halben Erdball, doch die Flutwelle verursachte außerhalb Chiles keine größeren Schäden.

Das Beben vom Samstagmorgen war unter den zehn stärksten, die weltweit je gemessen wurden. Der Erdstoß um 03.34 Uhr Ortszeit (07.34 Uhr MEZ) war bis in die 2.900 Kilometer entfernte Stadt Sao Paulo in Brasilien zu spüren. Insgesamt sind nach Angaben von Präsidenten Michelle Bachelet 1,5 Millionen Chilenen von der Katastrophe betroffen, fast jeder zehnte Einwohner.

Rettungskräfte durchsuchen zerstörtes Hochhaus nach Überlebenden

Das Epizentrum lag 115 Kilometer von der zweitgrößten chilenischen Stadt Concepción entfernt, in der mehr als 200.000 Menschen leben. Die Universität ging in Flammen auf, weil das Beben Gas- und Stromleitungen beschädigte. Ein elfstöckiges Mietshaus wurde von dem Erdstoß regelrecht umgeworfen, Bewohner und Möbel gegen die Rückwand geschleudert. Bis zum frühen Sonntagmorgen konnten 16 Menschen aus dem Gebäude gerettet werden, sechs wurden tot geborgen. Dutzende weitere Bewohner wurden noch in den Trümmern vermutet. Insgesamt kamen in Concepción nach Polizeiangaben mehr als 100 Menschen ums Leben.

Überlebende drangen am Sonntag in einen Supermarkt ein, um sich mit Lebensmitteln einzudecken. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein, um die Plünderer zu vertreiben.

In der Hauptstadt Santiago schwankte nach dem Beben eineinhalb Minuten lang die Erde, einige Gebäude stürzten ein, darunter ein Kirchturm. Der Flughafen von Santiago wurde wegen Gebäudeschäden geschlossen. Die U-Bahn stellte ebenfalls ihren Betrieb ein. Der wichtigste Seehafen, Valparaiso, wurde vorerst geschlossen, er sollte auf Schäden untersucht werden. Präsidentin Bachelet rief für fünf Regionen in der Landesmitte den Notstand aus.

Flutwelle reißt mindestens fünf Menschen in den Tod

Auf den zu Chile gehörenden Robinson-Crusoe-Inseln schwappte nach dem Erdstoß eine riesige Welle an Land und überschwemmte das Dorf San Juan Bautista. Dort kamen mindestens fünf Menschen ums Leben. In Talcahuano nahe Concepción setzten Flutwellen Teile der Hafenstadt unter Wasser.

Am Sonntag wurde die Region erneut von einem Erdstoß der Stärke 6,1 erschüttert. Insgesamt wurden in den 24 Stunden nach der Katastrophe 90 Nachbeben der Stärke 5 und mehr registriert.

Aufatmen in Hawaii und Japan

Entwarnung gab es dagegen für Hawaii, Japan und zahlreiche weitere Pazifik-Anrainer: Der von dem Beben ausgelöste Tsunami verlief glimpflich. Zwar erreichten Hawaii 16 Stunden nach dem Beben mehrere bis zu zwei Meter hohe Flutwellen, über Schäden oder Verletzte wurde aber nichts bekannt. Auch in Neuseeland, Japan und Russland wurden meterhohe Flutwellen registriert. Am Sonntag hob das Tsunami-Warnzentrum in Hawaii seinen Alarm für 53 Staaten und Regionen im gesamten Pazifikraum wieder auf.

Papst Benedikt XVI. sprach den Chilenen sein Beileid aus. „Ich bete für die Opfer, und ich bin in Gedanken bei denen, die durch eine so schwere Katastrophe geprüft werden“, sagte er in einer Ansprache an die Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom.

Rekordbeben ebenfalls in Chile

Das stärkste jemals registrierte Beben mit einer Stärke von 9,5 wurde am 22. Mai 1960 im Süden Chiles gemessen. Es kostete 1.655 Menschen das Leben und löste einen Tsunami mit weiteren Toten in Hawaii, Japan und auf den Philippinen aus.