Gesteinsbrocken so groß wie ein Bus zermalmen das 100 Jahre alte Haus in Stein an der Traun. Die Ursache könnte der strenge Frost sein.

München. Eine dünne Schneedecke liegt über den Trümmern, dazwischen ragen Balken aus einem Schuttberg. Dass hier einmal ein Haus stand, ist kaum mehr zu erkennen. Fassungslos stehen Nachbarn an der Absperrung der Unglücksstelle im oberbayerischen Stein an der Traun. Seit Jahrhunderten schmiegen sich hier die Häuser direkt an den Burgberg. Am Montagabend, kurz vor 20 Uhr, geschah dann das Unfassbare: Herabstürzende Felsmassen begruben das Wohnhaus einer vierköpfigen Familie.

In den Trümmern des Hauses starben Peter B. (45) und seine 18-jährige Tochter Sophie. Sohn Leon (16) und Mutter Uschi (40) überlebten das Unglück und konnten von den Rettungskräften nach stundenlanger Suche mit bloßen Händen aus den Trümmern befreit werden. Sie liegen schwer verletzt im Traunsteiner Klinikum. Vater und Tochter waren laut Polizeisprecher Steffen Wiedemann vermutlich sofort tot. Wie die Rekonstruktion des Unglücks durch die Rettungskräfte ergab, hatten sie offenbar noch versucht, die Haustür zu erreichen - vergeblich. Ein riesiger Fels und mehrere tonnenschwere Brocken waren abgerutscht und hatten das 100 Jahre alte Haus dem Erdboden gleichgemacht. Familie B., die sich zu dem Zeitpunkt in einem Raum aufgehalten hatte, wurde unter Felsen, Steinen, Dachbalken und Ziegeln verschüttet.

Nachbarn spürten die Erschütterung, doch es war der Braumeister der benachbarten Schlossbrauerei Stein, der als Erster die Polizei rief. "Nur Minuten später war das erste Team vor Ort", sagte Polizeisprecher Wiedemann. Aus Furcht vor weiteren Felsstürzen und um die Verschütteten nicht zu gefährden, begannen die Retter mit bloßen Händen zu graben. 250 Einsatzkräfte der Feuerwehr, Polizei, des Technischen Hilfswerks und vom Rotem Kreuz waren vor Ort. Als die Retter Klopfzeichen vernahmen, war klar, dass jemand die Katastrophe überlebt haben musste. Nach fünfeinhalb Stunden, um 1.30 Uhr, konnte Leon, eine Dreiviertelstunde später seine Mutter lebend aus den Trümmern gerettet werden. "Das ist kaum zu fassen", sagte auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), der noch in der Unglücksnacht in den 3500-Einwohner-Ort geeilt war. Familienvater Peter B. war in einer Behinderteneinrichtung in Traunstein beschäftigt, seine Tochter stand kurz vor dem Abitur und träumte von einem Philosophiestudium. Geologe Andreas von Poschinger vom Bayerischen Landesamt für Umwelt soll nun klären, warum sich die riesigen Felsbrocken aus dem Burgberg lösten. Das größte Felsstück hatte die Ausmaße eines Omnibusses, allein das Gewicht der kleineren Felsen taxierte von Poschinger auf ein Gewicht von 250 Tonnen. Insgesamt hatten die Felsmassen ein Gewicht von rund 1000 Tonnen. Nach Aussage des Geologen besteht der Burgberg aus einem 200 000 Jahre alten sogenannten Nagelfluh, einem eigentlich festen Gestein. Es bildet sich aus Kies, der mit Kalk gebunden wird. Allerdings finden sich im Fels Klüfte und Hohlräume, in die Wasser eindringen kann. Gefriert dieses, wie bei den derzeitigen Temperaturen wahrscheinlich, "kann dies den Fels regelrecht sprengen".

Mutter und Sohn haben die erste Operation gestern im Klinikum Traunstein gut überstanden. Sie hatten vor allem Quetschungen, Knochenbrüche und Wirbelsäulenverletzungen erlitten. "Beide sind ansprechbar und müssen nicht mehr beatmet werden", sagte ein Kliniksprecher. Weitere Eingriffe sind geplant. Heute sollen sie über den Tod ihrer Liebsten informiert werden.

Weitere Fotos von dem Felssturz sehen Sie unter www.abendblatt.de/felssturz