Ursula Todt und Conrad Marlow leben seit Jahren allein auf einer Insel. Erst im Frühjahr kann das Paar aufs Festland. Es ist jedoch auf die kalte Jahreszeit bestens vorbereitet.

Insel Ruden. Fünf Zentimeter dick ist die Eisschicht, die Ursula Todt (60) und Conrad Marlow (58) von der Außenwelt trennt. Frische Brötchen, eine Zeitung und Briefe ihres Enkels werden sie erst wieder bekommen, wenn das Eis taut. Dann kann der Seenotrettungskreuzer in dem kleinen Hafenbecken der Insel Ruden anlegen. Das kann in einer Woche sein, aber auch in drei Monaten.

Minus zehn Grad zeigt das Thermometer, und im Haus gibt es keine Heizung, keinen Strom, kein fließendes Wasser. Die ersten Schritte des Tages gehen immer zum Ofen. Der wird mit Kohle und Holz geheizt. "In fünf Minuten ist es im ganzen Haus warm", sagt "Ulla" Todt. Das Wasser zum Duschen holt sie aus 20-Liter-Kanistern im Nebengebäude, dann erhitzt sie es auf dem Gasherd und füllt schließlich das warme Wasser in eine Gartendusche. "Daran gewöhnt man sich schnell." Das Wasser für die Klospülung pumpt sie aus dem Hafenbecken. Das Schmutzwasser geht in eine große Klärgrube.

Jeden Tag um 17 Uhr stellt Ulla Todt den Dieselgenerator hinter dem Haus an. Dann funktionieren Fernseher, Computer und Lampen wie in jedem normalen Haushalt. Vorher wird bei Kerzenlicht gelesen. "Der Winter hier ist traumhaft, aber eigentlich sind hier alle Jahreszeiten schön." Zwei Stunden gehen Ulla Todt und Conrad Marlow jeden Tag auf der Insel spazieren. Man könnte den Rundgang auch schneller schaffen, denn Ruden ist nur 800 Meter lang und 300 Meter breit. Doch zum Innehalten gibt es immer einen Grund, etwa die Kegelrobbe, die sich auf den gefrorenen Wellen aalt oder der Seeadler auf dem Stalldach. Die Insel steht unter Naturschutz, mehr als 250 Vogelarten leben dort - und seit sieben Jahren auch Ursula Todt und Conrad Marlow. "Langweilig ist uns noch nie geworden."

Die beiden "Insulaner" haben sich für das Leben auf Ruden beworben - bei der Gemeinde Kröslin, zu der die Insel zählt. Sie sind bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt angestellt - als Naturschutzwart und Hafenmeister. Sie begrüßen die Gäste, führen sie über die Insel, lesen für das Wasser- und Schifffahrtsamt die Pegelstände ab und unterhalten ein kleines Museum über die Geschichte der Insel.

Seit November haben sie sich auf den Winter vorbereitet. Im Keller lagern mehr als 50 Kilogramm Kartoffeln, vier Stiegen Äpfel, kiloweise Brotmehl, außerdem Rinderbraten, Schweinebraten und Gulasch - selbst eingeweckt. Und auch der große Sack Aufbackbrötchen, den die Besatzung des Seenotrettungskreuzers noch vorbeigebracht hatte, ist unangetastet. "Wir können den Winter bis März problemlos überstehen", sagt Todt. Vorher werde sie wohl auch nicht aufs Festland kommen, schätzt sie. "Mit unserem Boot können wir erst fahren, wenn das Meer eisfrei ist." Eine Dreiviertelstunde dauert die Fahrt ans Festland. Rund 14 000 Besucher legen den Weg jedes Jahr zurück. Über Nacht bleiben dürfen auf der Insel nur die drei Kinder, der elf Jahre alte Enkel und Freunde des Paares. Die Insel verlassen können Ursula Todt und Conrad Marlow nur im Frühjahr und Herbst, wenn keine Ausflügler kommen. Im Herbst wird übrigens das Museum dann auch komplett ausgeräumt, weil die Wände der Feuchtigkeit des Winters nicht standhalten. Nachdem diese im Frühjahr neu gestrichen worden sind, müssen dann die Exponate wieder eingeräumt werden. "Es gibt immer irgendwas zu tun", sagt Ulla Todt.

Die Ruhe im Winter genießt das Paar. Nur manchmal gehen die beiden getrennte Wege, allerdings nicht, weil sie sich streiten, sondern wegen des Fernsehprogramms. Dann schaut sie einen Film und er im Nachbarzimmer die Nachrichten.