Sein letztes Werk war ein Requiem für die Toten der “Titanic“. Jetzt starb Robin Gibb, der Zweitälteste der Bee Gees, mit 62 Jahren an Krebs.

Berlin. Man könnte das Leben von Robin Gibb als tragisches aufschreiben, als das eines Hochbegabten, dessen Talent überstrahlt wurde ausgerechnet von dem des eigenen Bruders. Die Familiengeschichte der Gibbs eignete sich vortrefflich für eine solche Erzählung. Vier Brüder gab es einst, und nun ist nur noch einer übrig, Barry, der Älteste, der sie alle überragte, aus dessen Schatten sie scheinbar nicht treten konnten.

Andy nicht, der Jüngste, der früh starb, 1988, mit gerade mal 30 Jahren. Maurice nicht, der Zweitjüngste, der lediglich als die dritte Stimme galt, der Mann erst am Klavier, später am Bass, er starb im Jahr 2003. Und eben auch Robin nicht, der nur wenige Minuten älter war als sein Zwilling Maurice, er war derjenige, der sich künstlerisch am heftigsten dagegen wehrte, bloß der jüngere Bruder von Barry zu sein.

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Wollte man Robin Gibbs Leben also tragisch erzählen, müsste man schreiben: Die Emanzipation ist ihm nie wirklich gelungen. Bis zum Schluss nicht, obwohl er da doch nach Höherem, Ewigem zu greifen schien als nach Popmusik. Er verfasste ein Orchesterwerk, ein Requiem auf die Toten der "Titanic". Als es uraufgeführt wurde am 10. April in London vom Royal Philharmonic Orchestra, anlässlich des 100. Jahrestags des berühmtesten aller Schiffsuntergänge, konnte Robin Gibb schon nicht mehr dabei sein. Das "Titanic Requiem" wurde so gleichsam zu einer Gedenkfeier für einen Sterbenden, seinen Schöpfer, der sich irgendwie auch selbst zu betrauern schien in der Musik, die getragen war und groß, manchmal arg groß.

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"The Bee Gees Sing And Play 14 Barry Gibb Songs", so hieß das Debütalbum der Brüder im Jahr 1965. Der Titel schon klang nach familieninterner Hierarchie - man sang und spielte Barrys Lieder -, so wie fünf Jahre später der Titel von Robins erstem Soloalbum wie eine trotzige Antwort darauf klang: "Robin's Reign". Das Reich für die so apostrophierte Herrschaft Robins jedoch blieb klein im Vergleich zu dem der Bee Gees, daran änderten auch spätere Alleingänge Robins wenig. Das aber galt ebenso für Barrys. Am erfolgreichsten waren die Gibbs immer zusammen.

Ihr Ruhm war begleitet vom Hohn derjenigen, die sich lustig machten über die Bee Gees, über Barrys Falsett vor allem, und ihr Werk gering schätzten, vor allem den zweiten Abschnitt der Band-Karriere seit dem Soundtrack zum Film "Saturday Night Fever" aus dem Punk-Jahr 1977: Disco-Lala, Hausfrauenpop. Unfassbare 24 Wochen lang stand dieses Album allein in den USA auf Platz eins, von Januar bis Juli 1978, während "Never Mind The Bollocks, Here's The Sex Pistols" es zur gleichen Zeit bloß bis auf Platz 106 der Billboard-Charts brachte. Wer Punk als ungleich bedeutendere und langfristig einflussreichere Subkultur betrachtet als Disco, der verkennt, dass "Saturday Night Fever" als Platte musikalisch weniger von Disco handelte, als dass sich die Bee Gees darauf als weiße Soulband endgültig neu erfanden. Das blieb ihr Vermächtnis.

Warum Robin Gibbs Lebensgeschichte also nicht viel eher als glückliche erzählen? Im Jahr 1949 geboren auf der britischen Isle of Man, steht er schon 1958 das erste Mal mit Barry und Maurice auf einer Bühne und singt, im gleichen Jahr emigriert die Familie nach Australien, kehrt jedoch 1966 nach England zurück, wohl vor allem, weil der erste internationale Hit da ist, "Spicks And Specks", geschrieben noch allein von Barry. Er und Robin teilen sich in den ersten Jahren die Lead Vocals, aber sie streiten darum, wer nun der wahre erste Sänger ist. Die Hits gehen trotzdem oder gerade deswegen weiter, "Massachusetts", "Words", "How Can You Mend A Broken Heart". Die Bee Gees sind Teil der britischen Pop-Explosion der späten 60er, doch im neuen Jahrzehnt droht ihre Karriere zu verläppern, zu uninspiriert ist ihre Musik, zu brav.

Welcher der drei dann den Entschluss fällt, zusammen nach Florida zu gehen und dort noch mal neu anzufangen, ist nicht klar. Mit "Jive Talkin'" aber gelingt 1975 tatsächlich die Neudefinition der Bee Gees: als weiße Band, die schwarze Musik adaptiert, als früher Dance-Act, stimmlich angeführt von Barrys Falsett. Während zumindest nominell die weiteren Hits von den dreien gemeinsam geschrieben und koproduziert werden - in "Night Fever", "Stayin' Alive", "How Deep Is Your Love" treten Robins und Maurices Stimmen in den Hintergrund. Es wirkt wie ein Deal unter Brüdern: Man teilt die Songcredits und überlässt Barry die Bühnenmitte.

Und während Robin immerhin in Deutschland dann 1983 auch endlich die Solo-Nummer-Eins schafft mit dem Popliedchen "Juliet", ist er auch an Barrys Nebentätigkeiten abseits der Bee Gees nicht unbeteiligt. Die beiden schreiben 1980 zusammen für Barbra Streisand den Großteil ihres Comeback-Albums "Guilty", beim Titelstück ist auch Maurice mit dabei. Spätestens in den 80er-Jahren, so scheint es, hat Robin Gibb seinen Frieden gemacht mit seiner Rolle als ewiger Zweiter der Bee Gees, auch wenn ihn geschmerzt haben mag, dass seine schließlich sechs Soloplatten nie den ganz großen Erfolg hatten. Barry war dann auch als Produzent für Diana Ross, Dionne Warwick, Kenny Rogers und eben Streisand erfolgreicher als Robin als Einzelsänger. Erfolglos aber war Robin nie, er wurde bloß nicht: Erster unter den Brüdern Gibb.

Nun ist Robin gestorben, im Alter von 62 Jahren, und Barry, der immer der Erste unter den Brüdern war, ist nun auch der Letzte.

Die UCI-Kinowelt Othmarschen (Baurstr. 2) zeigt heute Abend um 20 Uhr das zum 100. Jahrestag des "Titanic"-Untergangs uraufgeführte "Titanic Requiem". Es wurde von Robin Gibb komponiert und vom Royal Philharmonic Orchestra gespielt.